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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator
Autoren: Philipp Vandenberg
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Geheimnis seiner Trainingserfolge«, sagte er.
    »Mag sein«, antwortete Eumarus.
    Der Sekretär des Gladiators atmete auf, als der Baumeister in das Innere der Tribüne gerufen wurde.
    Polyclitus und Vitellius hatten sich indes an die Schmalseite der Arena zurückgezogen. Der Trainer kreiste ständig um seinen Schützling, scharrte im Sand und stampfte mit dem Fuß auf Vitellius folgte seinem Gehör und wandte dem Lanista stets das Gesicht zu.
    »Gut gemacht«, ermunterte Polyclitus seinen Schüler.
    Scheinangriffe parierte der Gladiator mit einem Schritt zurück; wenn der Lanista sich entfernte, setzte Vitellius nach. Dabei kam ihm zugute, daß die Arena, unter der sich ein Wasserbassin befand, mit Holzplanken abgedeckt und mit Sand aufgefüllt war. Jede Bewegung verursachte ein dumpfes Geräusch und leichte Schwingungen, an denen sich der Gladiator orientierte. So trainierten sie wochenlang, bis die letzten Handwerker das Amphitheater verlassen hatten und das Weltwunder darauf wartete, mit einem nie dagewesenen Spektakel seiner Bestimmung übergeben zu werden.
    Beinahe ein halbes Jahr war vergangen, seit Vitellius das Augenlicht verloren hatte. Außer dem kleinen Häuflein der Eingeweihten war das Leiden des Gladiators keinem Menschen bekannt geworden. Polyclitus und sein Sekretär Cornelius Ponticus hatten Vitellius immer wieder davon abzubringen versucht, noch einmal zu kämpfen; aber je mehr sie ihn bedrängten, desto härter und rücksichtsloser gegen sich selbst gestaltete er sein Training.
    »Heute möchte ich etwas erleben«, sagte Vitellius am Vorabend der Spiele zu Cornelius Ponticus. Der sah seinen Herrn verwundert an. »Ja«, meinte der Gladiator, »du sollst nicht meinen, weil die Götter deinem Herrn das Augenlicht genommen haben, könne er sich nicht mehr des Lebens freuen. Rasiere dich und schneide dir die Nägel wie vor den Nundinae, dem Markttag, und werfe dir dein schönstes Gewand über.«
    Herausgeputzt strebten die beiden dem Aventin zu, an dessen Fuß gegenüber dem Circus maximus ein Feinschmeckerlokal neben dem anderen lag. Cornelius hatte alle Mühe, den schnellen Schritten seines Herrn zu folgen, der nur von den Bordsteinen an Straßenkreuzungen gebremst werden konnte. Vitellius ließ sich die Namen der Tavernen vorlesen, die über den Türbalken angebracht waren, und entschied sich schließlich für ein Lokal, das den Namen ›Zu den sieben Brüdern‹ trug.
    Rom war voll von Fremden, wie immer, wenn sich mehrtägige Spiele ankündigten. Das hunderttägige Spektakulum zog sogar Gäste aus den entlegensten Provinzen an. Sie kamen aus dem Norden Britanniens, der eben erst erobert worden war, aus Dakien von der unteren Donau und Lusitanien im Westen des Reiches. Armenier kamen aus Asien und Mauretanier aus dem Norden Afrikas. Sie alle überschwemmten die Hauptstadt und verursachten ein babylonisches Stimmengewirr.
    Der Wirt komplimentierte den Gladiator an seinen besten Tisch: »Es ist mir eine besondere Ehre, daß du das Essen vor deinem Kampf bei mir einnehmen willst!«
    Vitellius lachte: »Von meinen Cena libera im Ludus magnus bin ich verwöhnt, Alter, was hast du uns anzubieten?«
    »Einen Wildschweinbraten, gefüllt mit Kastanien, gegart auf dem Feuer, dazu ein Wein vom Albaner See und zum Nachtisch geröstete Nüsse mit Honig übergossen.«
    »Wohlan denn«, rief Vitellius, »sollen sich die Tische biegen unter der Last deiner Köstlichkeiten.«
    Von den Nebentischen drangen Sprachfetzen an Vitellius' Ohren, wie sie der Gladiator noch nie im Leben gehört hatte. »Woher kommen all die Leute?« fragte er seinen Begleiter.
    »Ich erkenne auch nur das Griechische und Gallische. Die übrigen sind mir fremd; aber bei der Größe unseres Reiches ist das keine Schande. Nicht jeder ist ein Mithridates, dem die Götter die Gabe verliehen, in zweiundzwanzig Sprachen zu reden.«
    Während der Wirt die Speisen auftischte, meinte Vitellius: »Der König von Pontus soll nicht nur ein Sprachgenie gewesen sein, er war auch einer der größten Esser der Weltgeschichte. Was er aß, konnte nicht ausgefallen und reichlich genug sein, und er setzte sogar einen Preis aus für den größten Fresser seines Landes.« Der Duft des knusprigen Bratens stieg dem Gladiator in die Nase. »Trat ihm nicht damals unser Feldherr Lucullus entgegen? – Bei allen Göttern, die beiden hätten im Fressen und Saufen gegeneinander antreten sollen, dann wären den Römern viele Opfer erspart geblieben.«
    Vitellius nahm
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