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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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des Everest geführt, während Todd wegen einer Rückenverletzung im Basislager bleiben mußte. Nach Boukreevs Erfolg war Todd sehr daran interessiert, sich seine Mitarbeit für die Saison 1966 zu sichern, da Todd eine Everest-Expedition auf der beliebtesten Aufstiegsroute von Süden über den Südostgrat plante.
     
    Ich kam eben vom Frühstück und ging durch eine schmale Seitenstraße des Thamel-Bezirkes, in der Totalstau herrschte. In dem Durcheinander von Rikschas, Fahrradtaxis, Lastern und Pkw hörte ich jemanden meinen Namen rufen, und aus einem der Autos winkte man mir zu, ich solle näherkommen. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich einige meiner Klettergefährten aus Alma-Ata. Sie kamen eben vom Flughafen und waren völlig aus dem Häuschen. Irgendwie war die Manaslu-Expedition doch zustandegekommen; jemand hatte das nötige Geld zusammengekratzt. Nun wollte man den Aufstieg im Dezember 1995 anstatt im darauffolgenden Frühjahr in Angriff nehmen. Das war aus zweierlei Gründen eine gute Nachricht. Erstens würde eine Expedition starten. Zweitens würde ich damit im Frühjahr bei der Suche nach einem Führer-Job flexibler sein.
    Ein paar Tage später lief ich Scott über den Weg. In einer schmalen Nebenstraße sah ich ihn unweit des Skala die Marktstände durchstöbern. Das Skala ist ein Gästehaus im Sherpa-Besitz, in dem ich wohnte. Da ich glaubte, er würde mich vielleicht nicht mehr erkennen, tippte ich ihm auf die Schulter und fragte ihn, was in Amerika los sei. Er erkannte mich sofort und begrüßte mich lächelnd.
    »Hi, Anatoli. Wie geht’s immer? Hast du Zeit für ein Bier?«
    Wir entdeckten ein Restaurant unweit des Ministeriums für Touristik, in dem er später einen Termin hatte, und wir erzählten einander, was wir seit unserer letzten Begegnung getrieben hatten. Scott berichtete, daß er von Pakistan aus erfolgreich eine Expedition auf den Broad Peak (8047 Meter) geführt hätte und daß er mitten in den Genehmigungsverhandlungen für den Everest steckte. Die Genehmigungspolitik sei unerhört, sagte er, und vor allem die Preise! »Fünfzigtausend für fünf Teilnehmer, zehntausend für jeden zusätzlichen! Unglaublich.« Er sagte, fünf Teilnehmer hätten schon unterschrieben, und es sähe aus, als wäre die Sache gelaufen, wenn er nur die Genehmigung bekäme.
     
    Fischer betrieb das Falschspiel, das am Everest nötig war. Er hatte seine Everest-Expedition angekündigt, ohne eine Genehmigung in der Hand zu haben – unter kommerziellen Expeditionsveranstaltern kein ungewöhnliches Vorgehen. Karen Dickinson schilderte die Situation folgendermaßen: »Wir alle schwitzten Blut. Als wir im Jahr zuvor raufwollten (auf den Everest), bekamen wir keine Genehmigung und entschieden uns, alles abzublasen. Natürlich bekamen wir sie dann doch, aber für Ende Januar, und schrien laut: ›He, das ist jetzt zu spät!‹ Unsere Konkurrenz, die samt und sonders gelogen und gesagt hatte, sie hätte Genehmigungen, obwohl es nicht der Fall war, konnte ihre Expeditionen durchziehen. Deshalb sagten wir 1996 ganz einfach: ›Klar, wir haben die Genehmigung.‹ Aber erst im Februar hatten wir sie dann wirklich in der Hand.«
    Scott fragte mich, was ich denn in Kathmandu triebe. Ich sagte, ich käme eben vom Dhaulagiri, von meiner zweiten Besteigung. »Hast du eine Gruppe geführt?« fragte er mich. »Nein, es war reiner Sport«, gab ich zurück. »Ich hatte die Chance, mich an eine georgische Expedition anzuhängen, und es wurde ein Aufstieg in Rekordzeit.« Ich glaube, daß Scott sich wunderte. »Du hast also keine zahlenden Kunden geführt?« fragte er lachend. Meine Taschen waren mittlerweile fast leer, und seine Frage war nicht unberechtigt. Scott kannte die Lage in der ehemaligen Sowjetunion, wo es für Bergsteiger so gut wie keine staatlichen Mittel mehr gibt. Wie ich hatte auch er gehört, daß unser gemeinsamer Freund Vladimir Balyberdin, der seinen Privatwagen als ›wildes‹ Taxi fuhr, dabei ums Leben gekommen war.
    Da ich nicht ständig von den schlechten Zeiten reden wollte, sagte ich zu Scott: »Nächsten Monat mache ich mit einem Team aus Kasachstan den Manaslu. Möchtest du mitkommen?« Erst war er still und begriff erst nach einer Weile, daß es mir ernst war. Da lachte er wieder und sagte, wie sehr er mich um meine extremen Abenteuer beneide.
    Scott wußte wie ich, daß noch kein Amerikaner den Manaslu bezwungen hatte. »Du könntest der erste sein«, sagte ich. Er zog die Brauen hoch, in seinen
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