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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Russe mitgebracht hatte. Fischers Neugierde war erwacht, er stellte viele gezielte Fragen, um dann die Rede unvermittelt auf den Everest zu bringen. Er wollte über Boukreevs dortige Erfahrungen sprechen. Wie alle Höhenbergsteiger, die über den Himalaja ständig auf dem laufenden waren, wußte Fischer von Boukreevs Erfolg mit Henry Todds Himalayan Guides im Jahr zuvor. Unter den sieben Kletterern, die Boukreev auf den Everest geführt hatte, befanden sich drei Erstbesteiger: der erste Waliser, der erste Däne und der erste Brasilianer.
     
    Scott redete viel vom Everest, und dann sprachen wir über die Probleme geführter Touren in großen Höhenlagen und welche Erfahrungen er in tieferen Regionen gemacht hatte. Er sagte, daß er nicht nur Interessenten für den Everest hätte; er hatte große Pläne für die Zukunft, für sämtliche Achttausender. Er dachte ernsthaft an eine kommerzielle K2-Expedition. Viele Amerikaner seien an der Teilnahme interessiert, sagte er. »Ich bräuchte dazu gute Führer, ungefähr sechs, vielleicht Russen, die gewillt wären, das Risiko auf sich zu nehmen; es gibt nicht viele Amerikaner, die das tun würden.«
     
    Obwohl nur der zweithöchste Gipfel der Welt, gilt der K2 allgemein als der gefährlichste Achttausender. Bedingt durch seine Pyramidenform befinden sich die schwierigsten Passagen in großer Höhe an seinen Flanken. Er ist eine der großen Herausforderungen in extremer Höhe. Der Schwierigkeitsgrad seiner Routen und die dramatischen, oft tragischen Berichte über Besteigungsversuche waren Fischer bekannt. Soweit Boukreev wußte, war Fischer bei einer der spektakulärsten Episoden mit von der Partie gewesen.
    Im August 1992 hatte Fischer nach der erfolgreichen Besteigung des K2 erschöpft und von einer Schulterverletzung behindert trotz Nacht und Schneesturm den Abstieg gewagt. Zusammen mit seinem Begleiter Gary Ball, der bewegungsunfähig an Fischers Klettergürtel fixiert hing. Gary Ball aus Neuseeland, Rob Halls Geschäftspartner, konnte sich wegen eines Lungenproblems nicht aus eigener Kraft fortbewegen. Fischers Heldentat half, sein Leben zu retten. 5
    Ich sagte zu Scott: »Was für den Everest gilt, gilt auch für den K2. Du weißt es. Du warst dort. Fehler dürfen dort nicht passieren. Man braucht gutes Wetter und viel Glück. Man braucht qualifizierte Führer, professionelle Bergsteiger, die extreme Höhen und den Berg kennen. Und die Kunden? Die muß man sorgfältig auswählen. Man braucht Leute, die der Verantwortung und Herausforderung großer Höhenlagen gewachsen sind. Das ist nicht der Mount Rainier. Beim Achttausender-Bergsteigen gelten andere Regeln. Man muß in den Teilnehmern Selbstvertrauen wecken, da man sie nicht immer an der Hand nehmen kann. Es wäre gefährlich zu behaupten, auf den Everest könne man so führen wie auf den Mount McKinley.« Scott lauschte aufmerksam und setzte mich dann in Erstaunen.
    »Ich brauche einen Kletterer mit Führerqualitäten«, sagte er. »Jemanden mit deiner Erfahrung. Komm mit mir auf den Everest. Anschließend wollen wir uns zusammen mit einem russischen Führerteam den K2 anschauen, danach die Tien-Shan-Berge. Was hältst du davon?«
    Ich mußte Scott sagen, daß ich schon ein Angebot von Henry Todd von Himalayan Guides hatte, der von Nepal aus ebenfalls eine kommerzielle Expedition plante, wenn es mit der Genehmigung klappte und sich genügend Teilnehmer fanden. ›Mitten in der Furt wechselt man nicht die Pferde‹, zitierte ich ein russisches Sprichwort. Da lachte Scott und fragte mich, was Henry Todd zahlen wolle. Als ich es ihm sagte, meinte er: »Aber du bist doch dein eigener Herr und hast noch gar nicht unterschrieben«. Und dann bot er mir fast das Doppelte.
     
    Für Boukreev war es eine willkommene Einladung, nicht zuletzt wegen der Aussicht auf Anschlußprojekte. Er setzte großes Vertrauen in Fischers Fähigkeit, die komplexen Schwierigkeiten einer Expeditionsplanung zu bewältigen, und er schätzte ihn als Bergsteiger. Außerdem war Beidleman sein Freund; seine Energie und Entschlossenheit bei der Besteigung des Makalu (1994) waren ihm noch in guter Erinnerung. Als Ultra-Marathon-Läufer verfügte er über eine enorme Ausdauer. Aber die Anforderungen beim Extremalpinismus sind andere als die eines Langstreckenlaufes, und Beidleman hatte keine Everest-Erfahrung.
     
    Ich wollte nicht nein sagen, konnte aber in diesem Moment auch nicht zusagen und verlangte daher 5000 Dollar mehr als Scott mir geboten
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