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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Augen leuchtete es auf. »Mensch, Anatoli, ich würde ja gern mitmachen, aber ich habe so unglaublich viel zu tun. Ich bin jetzt dabei, diese Everest-Tour für Mai zusammenzustellen; dann läuft ein Projekt am Kilimandscharo. Mann, ich würde es liebend gern machen, aber ich bin so verdammt eingespannt.«
     
    Seine Reisen für Mountain Madness führten Scott durch die ganze Welt, fort von seiner geliebten Familie. In seinem Haus in West Seattle hatte er seine Sachen, dort wohnten seine Frau Jeannie und seine beiden Kinder. Doch er lebte meist aus dem Koffer oder aus einem Expeditionssack und war den Schikanen humorloser, ständig die Hand aufhaltender Zollbeamten ausgesetzt. »Auf Flughäfen mußte er häufig Leibesvisitationen über sich ergehen lassen«, berichtete Karen Dickinson. »Kein Wunder, er mit seinem Pferdeschwanz, seinem kleinen Goldohrring und seiner völlig irren Reiseroute – erst nach Thailand, dann nach Nepal und jetzt nach Afrika. Klar, daß die Leute vom Zoll immer fragen: ›Und was haben Sie dort vor?‹«
     
    Ich versuchte, ihn aus seinem Trott zu reißen, ihn zu überreden, er solle etwas für sich tun und einfach so zu seinem Vergnügen klettern. »Ich bin ganz sicher, daß wir Erfolg haben werden«, sagte ich. »Wir sind ein starkes Team, und mit dir wäre es noch stärker. Mach mit!« Ich sah ihm an, wie schwer ihm die Ablehnung fiel, hin- und hergerissen zwischen seinen Geschäftsinteressen und seiner Liebe zu den Bergen. »Ich bin nicht so frei wie du«, sagte er. »Ich habe Verpflichtungen, ein Unternehmen, Familie.«
    Ich hatte Verständnis für sein Dilemma. Für Extrembergsteiger ist es sehr schwierig, ihrer Leidenschaft zu frönen, ohne auf diese oder jene Weise kommerziell zu werden. Trotzdem war ich enttäuscht, als ich ihn so reden hörte.«
     
    Während Boukreev und Fischer sich unterhielten, sah Fischer immer wieder auf die Uhr. Er wollte seinen Termin im Ministerium für Touristik pünktlich einhalten, um den Beamten seinen Respekt zu bezeugen. Gute Beziehungen zur Bürokratie waren sehr wichtig. Ohne Ticket gab’s keinen Aufstieg.
     
    Als Scott aufstand, fragte er mich, ob ich am nächsten Tag mit ihm in seinem Hotel, dem Manang, frühstücken wolle. Er hätte einiges mit mir zu besprechen.
     
    Boukreev war nur zu gern zu diesem Treffen bereit, da er nach Chancen Ausschau hielt und wußte, daß Fischer seinen Tätigkeitsbereich ausweiten und neue Märkte erschließen wollte. Die Jahre seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren für Boukreev härter gewesen, als Fischer ahnte. Das Bergsteigen wurde in seiner Heimat nur mehr in beschränktem Umfang betrieben. Viele Bergsteiger aus Boukreevs Generation, darunter die besten Kletterer der Welt, litten bittere Not. Um ihre Familien zu ernähren, mußte ihr Ehrgeiz zurückstehen, während sie Berghütten bewirtschafteten oder für die Sprößlinge von Mafiabossen Skilehrer spielten – alles, um ihr tägliches Brot zu verdienen.
    Boukreev hatte die mit dem Verlust staatlicher Förderung einhergehende Verzweiflung und Demütigung am eigenen Leib erfahren. Während Neal Beidleman nach der erfolgreichen Besteigung des Makalu im Jahr 1994 mit den anderen amerikanischen Teamkollegen zurück in die Staaten jettete, war Boukreev gezwungen, sich im billigsten Hotel von Kathmandu einzuquartieren und seine Kletterausrüstung zu verhökern, um ein Ticket nach Alma-Ata kaufen zu können. Ein Blick in den Spiegel hatte ihm eines Tages gezeigt, daß er trotz der Strapazen des Makalu-Aufstiegs zugenommen hatte, weil die Expeditionsverpflegung viel besser war als alles, was es zu Hause gab. Alle seine amerikanischen Kameraden hingegen hatten Gewicht verloren, manche sogar neun Kilo. Das war am Tiefpunkt seiner Karriere gewesen, den er bis jetzt noch nicht richtig überwunden hatte.
     
    Ich wollte Scott mit den Bergen in Kasachstan bekanntmachen und mit den Möglichkeiten, die sich dort boten. Die Chancen waren vorhanden und warteten nur darauf, genützt zu werden. Lange Zeit Trainingsgelände für Kletterer aus der ehemaligen Sowjetunion, stellten die Berge ein paar interessante Herausforderungen dar. Die Infrastruktur war spärlich, es gab nur wenige Hotels, doch strömte allmählich Kapital ins Land, und ich dachte mir, daß jemand mit Scotts Fähigkeiten etwas bewegen könnte.
     
    Am nächsten Morgen nahmen sich Fischer und Boukreev die Karten von Kasachstan und ein paar Broschüren über die Tien-Shan- und Pamir-Gebirge vor, die der
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