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Der Geschmack der Liebe

Der Geschmack der Liebe

Titel: Der Geschmack der Liebe
Autoren: Mia König
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konzentrierte sich auf das, was er erschaffen wollte. Valerie hatte ihn zwar in geschäftlicher Hinsicht fest im Griff. Seine Fantasie dagegen kontrollierte niemand. Er wählte mehrere Gold- und helle Brauntöne, um das blonde Haar seiner großen Liebe so zu treffen, wie er sich daran erinnerte. Die Skyline Hamburgs im Hintergrund umrahmte das Gesicht der jungen Frau wie einen Heiligenschein.
    Luisa war kurz vor dem Verzweifeln. Ihr gesamter Kleiderschrank lag auf dem Bett verteilt. Von rechts nach links geordnet. Der große Haufen rechts: völlig indiskutabel. Klamotten, die höchstens noch dazu gut waren, um den Hausputz zu machen oder im Dunkeln zu joggen. Vorausgesetzt, man hatte Spaß daran, mit hochrotem Kopf durch Hamburg zu hecheln. Luisa hasste Joggen. Sie hatte es einmal ausprobiert und für doof befunden. Aber nun gut. Das Häufchen in der Mitte waren bessere Alltagsklamotten. Jeans, ein paar Pullis in gedeckten Farben, ein gar nicht mal so schlechter Hosenanzug und ein paar feinere Blusen. Die waren alle okay und würden für einen Nachmittagstee taugen oder für ein Vorstellungsgespräch. Aber für die Party der Saison? No way! 150 Jahre Hansen Kaffee und die ganze Stadt würde da sein! Ein Fest mit Büfett, einem Pianisten im Frack und lauter Menschen, die reich und schön waren und bestimmt mehr für ihre Abendgarderobe ausgegeben hatten, als Luisa in einem Monat verdiente. Blieb also nur noch die geschrumpfte Auswahl links. Ganze zwei Kleidungsstücke lagen dort. Ein rotes Cocktailkleid, das sie in einem Theaterfundus erstanden und nur ein einziges Mal getragen hatte, weil der Ausschnitt wirklich unanständig viel preisgab. Als sie es im letzten Jahr zu dem Friseurmeisterball, zu dem sie mit Molly gegangen war, getragen hatte, musste Luisa den gesamten Abend die Jacke anbehalten. Molly hatte sich königlich amüsiert. Und dann war da noch das grüne Cocktailkleid ihrer Mutter aus den Sechzigern, das Luisa gerettet hatte, als Anna es weggeben wollte. Luisa hielt es sich vor und betrachtete sich im Spiegel. Mit den weißen Perlen am Ausschnitt und am Saum und einem smaragdgrünen Taftstreifen diagonal auf der Rückseite könnte es fast als Designerkleid durchgehen. Jetzt brauchte sie nur noch die richtigen Schuhe und eine passende Jacke oder einen Schal und, o weh! Ihre riesige Handtasche konnte sie ja wohl schlecht mitnehmen heute Abend! Auf der anderen Seite wäre die wenigstens groß genug, um normale Klamotten darin unterzubringen, in denen sie unerkannt flüchten könnte. Falls das nötig werden sollte. Vielleicht weil sie aus Versehen ihre Bloody Mary über den hochwohlgeborenen Daniel Hansen kippen würde. Luisa mochte zwar keinen Tomatensaft, aber was tat man nicht alles für den Farbeffekt. Hansen junior hatte nämlich gestern mal wieder alle gegen sich aufgebracht, als er der versammelten Mannschaft erklärt hatte, was er von der Einladung der Belegschaft zum Firmenjubiläum hielt. Reine Geldverschwendung hatte der Schnösel das genannt.
    Luisa schüttelte den Kopf. Hansen junior war echt kein Leader, wie ihr Vater gute Chefs immer genannt hatte. Nicht so wie Maximilian Hansen. Daniel besaß überhaupt kein Gespür für die Atmosphäre in der Firma und unter den Angestellten. Vermutlich, weil der einzige Mensch, an den er dachte, er selbst war. Luisa grinste ihr Spiegelbild an. Vielleicht könnte sie heute Abend auch zwei Bloody Marys in der Hand halten …
    Es war ein perfekter Abend für ein Fest. Der Mond schien voll und rund und spiegelte sich im Wasser des Hafens. Kaum ein Lüftchen wehte. Deswegen brannte an Deck der Rickmer Rickmers auch eine Vielzahl Kerzen. Maximilian Hansen nickte zufrieden und inspizierte den Innenraum. Die Tische waren sehr geschmackvoll gedeckt, und jeder einzelne Teller war mit einer essbaren Blüte verziert. Das Büfett wurde gerade aufgetragen. Matjes, Aal, Lachsforelle, Scholle, diverse Krustentiere. Fisch geräuchert, gebacken, eine Bouillabaisse. Maximilian hob den Deckel von einer der Terrinen und genoss den wunderbaren Duft, der ihm entgegenströmte. „Schon allein wegen des Fischs lohnt es sich, in Hamburg zu wohnen“, hatte sein Vater immer gesagt. Der Besuch des Fischmarkts war eine beliebte Familientradition. Mindestens zweimal im Jahr waren alle um fünf Uhr aufgestanden, um auf dem Fischmarkt zu frühstücken. Nicht selten hatten Maximilian und seine Eltern an solchen Tagen bis zu zehn Heringe verputzt. Vor allem, wenn sie ganz frisch, sozusagen
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