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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls
Autoren: Di Morrissey
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größere Schwierigkeiten geraten waren.
    In seinem Büro, das, typisch für AusGeo, in mattem Edelstahl und schwarzem Leder gehalten war, stellte Matthew seinen Aktenkoffer schwungvoll auf den Schreibtisch und sah rasch die Unterlagen und Nachrichten durch, die seine persönliche Assistentin ordentlich aufgestapelt hatte, darunter auch eine Notiz über einen Anruf seiner Schwester Madison. Er stand mit dem Rücken zu dem glitzernden Hafenbecken viele Meter unter dem deckenhohen Fenster und überflog seinen Terminkalender. Dann rief er, ohne das Jackett auszuziehen, denn fünfzehn Minuten später musste er zu einer Sitzung der Firmenleitung, seine Schwester in dem Fünf-Sterne-Hotel an, in dem sie arbeitete. Als er schließlich die Werbeabteilung erreichte, wurde ihm gesagt, dass der Anschluss seiner Schwester belegt sei. Er nahm sich vor, es später noch mal zu versuchen.
     
    Das Sitzungszimmer hatte einen Panoramablick über den Hafen von Sydney. Die sechs Männer saßen um einen langen, ovalen Tisch aus australischer Rotzeder. An jedem Platz standen ein Glas Wasser und eine Kaffeetasse aus feinem Porzellan, daneben lagen ein Schreibblock und ein frisch gespitzter Bleistift. Kleine Schälchen mit Smarties waren in der Mitte des Tisches platziert. Diese Konfektschalen waren eine kleine Extravaganz des Geschäftsführers.
    Während die Männer Platz nahmen und eine lockere Unterhaltung begannen, trug die persönliche Assistentin des Geschäftsführers ein Silbertablett mit Kaffeekanne, Milchkännchen und Zuckerdose herein. Sie stellte es vorsichtig auf den Tisch, zog sich zurück und schloss leise die Tür hinter sich. Gleich darauf betrat Stewart Johns, der Geschäftsführer, mit energischen Schritten den Raum. »Morgen, die Herren«, sagte er aufgeräumt. »Herrlicher Tag zum Segeln.« Johns hatte immer Vorschläge, wie man den Tag besser verbringen konnte als in einer Konferenz. Das war seine Art, Witze zu machen. Er öffnete eine Mappe, setzte die Brille auf und begann nach einem sanft lächelnden Blick in die Runde, zu sprechen.
    »Also, es gibt gute und schlechte Nachrichten. Die gute Nachricht: Wir sind aufgefordert worden, einen Vorschlag zur Sanierung einer in Schwierigkeiten steckenden Bauxitmine in Südamerika einzureichen. Die Mine gehört dem Staat und soll privatisiert werden. Wir müssen eine detaillierte Studie über die Aussichten für eine öffentliche Ausschreibung erarbeiten. Dazu brauchen wir ein Team vor Ort, das die endgültige Bewertung vornimmt und unsere Präsentation vorlegt. Ich bin kurz dort gewesen und habe Unterlagen über Finanzen und Produktion zur Analyse mitgebracht. Ich denke, die Mine ist es wert, dass wir unsere Zeit investieren.«
    Er unterbrach sich und schaute sich wieder am Tisch um. Kevin Blanchard, der leitende Ingenieur, nahm das eingangs hingeworfene Stichwort auf: »Und wie lautet die schlechte Nachricht?«
    Stewart Johns grinste. »Die Mine liegt in Guyana.«
    Kevin zuckte die Schultern. »Na und? Hört sich für mich okay an.«
    »Ja, aber dein letzter Einsatz war auch in Somalia«, witzelte Matthew, was alle zum Lächeln brachte.
    Die Führungskräfte von AusGeo waren mit Minen in der ganzen Welt vertraut, und es war wohlbekannt, dass Guyana einer der Hauptlieferanten für erstklassigen Bauxit gewesen war, den man zur Herstellung von Aluminium brauchte.
    »Ein ziemlich rückständiges Land, oder?«, meinte Matthew.
    »Ja, ein fast hoffnungsloser Fall. Eine echte Bananenrepublik. Liegt an der Küste von Südamerika zwischen Venezuela und Brasilien. Früher hieß es Britisch Guiana, und davor war es eine holländische Kolonie. Eine Zeitlang war es im Besitz der Franzosen. Hatte eine blühende Zuckerrohrindustrie, die inzwischen vollkommen brachliegt. Außerdem war es Schauplatz der Selbstmorde von Jonestown.«
    Kevin Blanchard mischte sich ein. »Stimmt, die Sache mit dieser Sekte, People's Temple, in den späten siebziger Jahren, oder? Reverend Jim Jones und seine große Kommune, und dann haben sie diesen amerikanischen Politiker erschossen und danach haben alle vergiftete Limonade getrunken.«
    »Nicht gerade die beste Reklame für ein Land. Und wie sieht es da jetzt aus?«, fragte Matthew, als sich Stewart Johns zurücklehnte und die Reaktion der Männer am Tisch beobachtete.
    »Hat sich nach meinen oberflächlichen Erkundigungen nicht sonderlich verändert. Die Mine ist in den letzten zwanzig Jahren, nachdem sie verstaatlicht wurde, durch politische Einflussnahme
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