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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles«, antwortete sie geringschätzig. »Sie wählen also nicht aus?«
    »Doch.«
    »Aber soeben sagten Sie: alles.«
    »Fast alles«, betonte er.
    »Ob ›fast alles‹ oder ›alles‹, das bleibt sich ziemlich gleich. Sie verschlingen also jede Schwarte, die Ihnen in die Finger kommt?«
    Das könntest du anderen sagen, aber nicht mir, dachte er. Nicht mir, der ich vom Fach bin. Gleich werde ich dich ein bißchen auseinandernehmen, mit der Schwarte, die du in deinen Händen hälst.
    »Sie glauben wohl, die Katze zu sein?« sagte er.
    »Welche Katze?«
    »Die in unserem Spiel.«
    »Ach so.« Sie lachte.
    »Und ich bin die Maus, denken Sie«, fuhr er fort.
    »Aber nein!« Sie hörte nicht auf zu lachen, und daraus ging deutlich genug hervor, was sie dachte.
    »Dann sagen Sie mir doch endlich einmal«, erklärte er, »was Sie da lesen.«
    Sie klappte das Buch zu, das sie während des ganzen Gesprächs aufgeschlagen auf den Knien liegen gehabt hatte, und nannte knapp den Titel: »›Sommerscherze‹.«
    Sorant fuhr zurück. »›Sommerscherze‹?«
    Sie nickte. »Von Robert Sorant«, sagte sie. »Kennen Sie etwas von ihm?«
    Er hustete. »Von Robert Sorant?«
    »Ja.«
    »Doch, ich kenne etwas von ihm.«
    »Er ist mein Lieblingsschriftsteller. In meinem Inneren nenne ich ihn sogar nur Robs.«
    »Robs?«
    »Ich weiß, das ist dumm«, sagte sie etwas verlegen. »Aber so stelle ich mir ihn eben vor …«
    »Wie stellen Sie sich ihn vor?«
    »Wie einen jungen, lustigen ›Robs‹ und nicht wie einen ernsten, gesetzten ›Robert‹. Verstehen Sie, was ich meine? Er muß ein netter, temperamentvoller, amüsanter Mann sein. Ganz mein Typ. Nicht einer wie Sie.«
    Er errötete; nicht, weil er nicht ihr Typ (als Mann) – und doch wieder ihr Typ (als Schriftsteller) – war, sondern weil ihn dieses Gespräch, das die überraschendsten Wendungen nahm, ganz allgemein in Verwirrung stürzte. Dann seufzte er, blickte auf den Stein, der die ganze Zeit auch schon Platz für zwei geboten hätte, und sagte: »Mir tun langsam die Beine weh.«
    »Die Beine tun Ihnen weh?«
    »Ja.«
    »Dann setzen Sie sich doch.«
    »Wohin?«
    »Hierher«, antwortete sie, die Linke neben sich auf den Stein legend; zugleich rückte sie etwas nach rechts.
    Sorants Wunsch hatte sich also erfüllt. Als nun die beiden nebeneinander saßen, wollte er keine Zeit mehr verlieren, sondern die uralte Chance, von der er glaubte, daß sie sich ihm bot, nützen, indem er mit einem gekonnten Seufzer sagte: »Könnte man doch Sorant sein …«
    »Dazu fehlt Ihnen aber auch alles«, lautete ihre ernüchternde Antwort.
    Seine Miene wurde geheimnisvoll. »Ich stehe Ihnen näher als Sie denken, meine Gnädigste.«
    »Sie?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    »Fragen Sie mich doch, wie ich heiße.«
    Dies zu sagen, war unvorsichtig von ihm, denn sofort erwiderte sie: »Damit berühren Sie einen wunden Punkt, aber nicht einen wunden Punkt bei mir, sondern bei Ihnen. Ein anderer Mann hätte sich nämlich längst selbst vorgestellt.«
    »Verzeihen Sie …« Er biß sich auf die Lippen. »Mein Name ist … halten Sie sich fest … Robs.«
    »Wie bitte?« Sie riß ihre Augen auf. »Robs?«
    »Ja, Heinz Robs.«
    »Robs?« wiederholte sie kopfschüttelnd. »Heinz Robs? Sie nehmen mich nicht auf den Arm?«
    »Nie würde ich das wagen.«
    »Ich würde Ihnen das auch nicht raten.«
    »Das ist mir klar.«
    Sie schüttelte wieder den Kopf. »Zufälle gibt's … einfach unglaublich!«
    »Sehen Sie«, sagte er, »deshalb habe ich auch gezögert, mich Ihnen vorzustellen. Wer weiß, wie Sie reagieren werden, dachte ich. Fast war ich geneigt, Ihnen einen anderen Namen zu nennen.«
    »Einen falschen?«
    Er zuckte die Schultern und breitete die Hände aus, was bedeuten sollte, daß ihm dann ja nichts anderes übriggeblieben wäre.
    »Damit hätten Sie mich aber belogen«, sagte das Mädchen. »Und ich freue mich, daß Sie das nicht getan haben.«
    Da er schwieg, nützte sie die Gelegenheit, hinzuzusetzen: »Männer, die schwindeln, mag ich nicht.«
    »Gehen wir«, schlug er vor.
    Sie nickte und rutschte vom Stein. Nach wenigen Schritten blieb sie jedoch noch einmal stehen und sagte: »Ich heiße Lucia Jürgens.«
    »Lucia? – Schön. – Klingt nach Italien, Zitronen und Gondeln. – Und Jürgens? – Klingt nach viel Gesang. – Paßt also alles zusammen.«
    Sie lachten beide und setzten sich wieder in Bewegung. Der Weg führte sie zurück nach Altenbach. Noch ehe sie aber den Wald verließen, entsann
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