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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wohl einen Besuch beim nächsten Nervenarzt empfehlen.
    Oder sollte er sich dreist an ihren Tisch setzen und ein hochgestochenes Gespräch über die Blüte der Minnedichtung durch die Einwirkung kosmischer Frühlingsstrahlung beginnen?
    Dann würde sie entweder nach dem Geschäftsführer rufen oder gleich selbst aufspringen und die Flucht ergreifen. Hatte sie aber Mut, konnte es passieren, daß sie diesen Verrückten da an ihrem Tisch von oben bis unten groß ansehen würde, so wie man etwa einen Wasserschlauch untersucht, ob er auch dicht ist. Und sie würde sagen: »Lassen Sie bitte Ihr Gehirn erst kosmisch bestrahlen.«
    Nichts davon war also praktikabel.
    Robert Sorant griff in die Brusttasche. Dort verwahrte er ein Textbuch seiner Komödie DURCH DICK UND DÜNN, ein Spiel der Galanterie. Er blätterte rasch darin, suchte die feurigen Szenen und studierte die Dialoge.
    Da war es: 2. Akt, 4. Auftritt … Willi nähert sich der Unbekannten, räuspert sich und …
    Wundervoll, das war zu machen, das saß!
    Robert klappte das Buch zu, küßte es dankbar auf den Deckel, steckte es zurück in die Brusttasche, verließ die Toilette und steuerte mit einem selbstsicheren Lächeln den Tisch des personifizierten Frühlings an. Je näher er aber seinem Ziel kam, desto langsamer wurde sein Schritt. Er legte die Hand auf die Brust, schien irgendeiner größeren Qual ausgeliefert zu sein. Das Lächeln war verschwunden, Robert verhielt den Atem, so daß er rot anlief. Auf der Höhe des Tisches blieb er endgültig stehen, preßte beide Hände auf die Brust und verlor in dieser Stellung den Kampf gegen den plötzlichen schlimmen Hustenanfall, den er auf dem Weg vom Klo her zu unterdrücken versucht hatte. Fast wollte es ihn zerreißen. Der Erstickungstod drohte ihm. Das Mädchen bekam es mit der Angst zu tun, wußte aber nicht, was sie unternehmen sollte. Nur langsam wurde Robert Sorant dem Leben wiedergeschenkt. Jeder, der schon einmal einen solchen Anfall am eigenen Leibe hat durchstehen müssen, weiß, welcher Grad der Ermattung dadurch bei einem hervorgerufen wird. Robert ließ sich auf den Stuhl neben dem Mädchen fallen, wobei er röchelte: »Verzeihen Sie … nur ein paar Sekunden …«
    Das Mädchen schämte sich, ihm nicht von sich aus hilfsbereit den Stuhl angeboten zu haben.
    Es gelang Robert, mit dem Husten aufzuhören. Nach mehrmaligem Räuspern meinte er mit gereinigter Stimme: »Das war knapp.«
    »Was hatten Sie denn?« fragte sie ihn noch ganz aufgeregt.
    »Ein Bonbon in der Luftröhre. Ist mir noch nie passiert. Verzeihen Sie.«
    »Da gibt's nichts zu verzeihen.«
    »Danke.«
    »Sind Sie ein Leckermäulchen?« fragte sie ihn, um ihm mit dem kleinen Scherz wieder auf die Beine zu helfen.
    Er sagte nicht ja und nicht nein, sondern blickte sie nur stumm, jedoch voller Hingabe an. Das lieferte Anhaltspunkte, auf welchem Gebiet er sich als Leckermäulchen verstand. In der jungen Dame schoß dadurch ein böser Verdacht hoch, den sie in die Worte kleidete: »Sagen Sie mal, war das Ganze etwa nur Theater von Ihnen?«
    »Ja«, glaubte er aufs Ganze gehen zu können.
    Sie konnte sich dazu nicht mehr äußern, denn in diesem Augenblick trat der Kellner Martin Eisner an den Tisch und teilte der jungen Dame mit, daß sie am Telefon verlangt werde.
    »Der erwartete Anruf meiner Mutter«, sagte sie zu ihm. »Dann zahle ich auch gleich.«
    Sie tat dies rasch, erhob sich, nickte Robert Sorant einen Abschiedsgruß zu und folgte dem Kellner zum Telefon.
    Die Enttäuschung Roberts war groß. Er fluchte innerlich und begab sich zurück an seinen eigenen Tisch. Es blieb ihm ja nichts anderes mehr übrig. Die Zigarette, die er sich anzündete, schmeckte ihm nicht. Das Bier schmeckte ihm nicht. Ganz Altenbach schmeckte ihm nicht mehr.
    Verärgert ging er auf sein Zimmer, schenkte dem Zimmermädchen, das ihn schon anzuhimmeln begonnen hatte, das Textbuch DURCH DICK UND DÜNN und entschloß sich, noch einmal ins Freie zu gehen, um etwas für die Verdauung zu tun.
    Gerade das hätte er aber unterlassen sollen.
    Oder doch nicht?
    Als er nämlich aus dem Hotel trat, stand da der schwarze Lockenkopf. Nun waren auch die Beine in ihrer ganzen Pracht zu sehen, und das war nicht zuviel gesagt: in ihrer ganzen Pracht. Das gelbe Seidenkleid leuchtete. Das Mädchen wartete mit einer Überraschung auf. Robert guckte dumm. Die junge Dame zückte eine Kamera und – klick – Robert Sorant war fotografiert.
    Was sollte das nun wieder bedeuten?
    »Hören
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