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Der Geheimtip

Der Geheimtip

Titel: Der Geheimtip
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Selbstverwaltung, relativ unabhängig von Lissabon. Die Regiao Autonoma da Madeira hat sogar ein eigenes Wappen.«
    »Und Briefmarken«, murmelte Egon. Er versuchte, sich ganz auf Pettenkamps Worte zu konzentrieren, mußte aber trotzdem denken, daß der Alte die schwierigen Wörter bestimmt extra auswendig gelernt hatte, um damit anzugeben.
    »Herr Balk hat sich einen Virus eingefangen«, fuhr der Chef fort. »Er liegt im Krankenhaus. An sich sollte er heute hier eintreffen, um die Muster abzuholen. Zweitonsirenen, herrliches Klangbild, mit Akku ausgestattet, hochsensibel, getarnt als Goethes Wahlverwandtschaften oder Garcia Lorcas ›Yerma‹. Die Buchform macht sie unauffällig für Einbrecher. Sie sind schwer zu entdecken, relativ preiswert und äußerst originell. Das Ganze ist natürlich Vertrauenssache.«
    »Natürlich.« Egon nickte brav.
    »Deshalb möchte ich, daß Sie morgen fliegen und das Geschäft an Herrn Balks Stelle abwickeln, lieber Herr Meier!«
    »Ich?!«
    »Ja. Sie sind gewissenhaft, können rechnen und sind durch den Umgang mit Leuten, die einen Vorschuß wollen, auch gestählt, was Widerstand und Durchhaltevermögen angeht, hähähä.«
    »Hähähä«, echote Egon schüchtern.
    »Außerdem ist eine Reise nach Madeira ja nun wirklich keine Strafe«, scherzte der Alte weiter. »Auf eines muß ich Sie allerdings warnend hinweisen: Die Amerikaner sind auch dran. Mit einem anderen, aber wohl leider auch durchaus brauchbaren Warnsystem. Señor Parlango muß also mit Feingefühl behandelt werden. Eine riesige Anlage mit Hotels und Eigentumswohnungen steht zur Bestückung an. Ich verlasse mich auf Sie!«
    Für einen Augenblick geriet das Gemälde hinter Pettenkamp, das den Gründer der Firma darstellte, in schlingernde Bewegung, als wolle der Verblichene als Geist seinen Kommentar dazu abgeben. Dann verzog sich der Schleier vor Egons Augen. Nur das Herz ratterte noch wie ein Preßlufthammer. War dies die Chance, von der er manchmal, in kühnen Augenblicken, geträumt hatte? Warum schickte Pettenkamp wohl gerade ihn? Warum reiste er nicht selber, wenn es so wichtig war?
    »Sie können sich auf mich verlassen«, sagte Egon fest.
    »Das weiß ich, mein lieber Herr Meier. Wenn es klappt, werde ich das auch honorieren, der Sessel in der Personalabteilung wird demnächst frei, da sind auch rund zwohundert netto monatlich mehr drin, so etwa, glaube ich, der Betriebsrat wird sicher zustimmen; also, viel Erfolg, Fräulein Buttrich kümmert sich um den Flug und so weiter. Sie soll auch ein Telegramm mit Ihrer Ankunftszeit an Señor Parlango senden und Sie im Hotel ›Vila Ramos‹ anmelden, das Herr Balk empfohlen hat. Gute Reise!«
    Egon bemühte sich beim Hinausgehen nach Art von Betrunkenen, möglichst gerade auf einer Linie zu schreiten. Im Vorzimmer sank er auf den nächsten Stuhl.
    »Na, Meierchen, dolles Ding was?« fragte Silvia Buttrich. Sie wußte natürlich schon wieder alles.
    »Wie ist er bloß auf mich verfallen?«
    »Sie dürfen sich nicht unterschätzen, Meierchen!« Silvia Buttrich war dreiunddreißig Jahre alt, kein Alter heutzutage für eine emanzipierte Frau. Doch heimlich wurde ihr die Zeit ein bißchen lang, bis aus irgendeiner der mehr oder weniger harmonischen Zweierbeziehungen eine richtig schön altmodische Ehe wurde. Und Meierchen war strebsam und verträglich und hatte beruflich die Zukunft vielleicht noch vor sich. Besonders mit Unterstützung einer tüchtigen Frau.
    »Richtig glücklich sehen Sie aber nicht aus, Herr Meier«, stellte Fräulein Buttrich fest.
    »Ich überlege, was aus Alma wird.«
    Silvia Buttrich atmete tief ein. Ein Effekt, der nicht zu übersehen war. Hier lag vielleicht eine Chance für sie.
    »Alma nehme ich natürlich«, sagte sie süß.
    »Das kann ich doch gar nicht annehmen. Bei Fremden ist sie manchmal leider ein bißchen zickig.«
    Fräulein Buttrich sah ihm tief in die Augen und lächelte auf diese einschüchternde Art.
    »Wir sind uns doch nicht fremd, Herr Meier, oder?!«
    »Nein, nein.« Egon schüttelte den Kopf. »Sie würden also wirklich …?«
    »Aber selbstverständlich. Ich mag Rauhhaardackel besonders gern. Sie erklären mir genau, wie ich mit Alma umgehen muß. Vielleicht ist es am besten, wenn ich sie heute abend bei Ihnen abhole?«
    »Nein, ich bringe sie Ihnen«, sagte Egon erschrocken. »Und auch ihr Körbchen und den Gummiknochen …« Seine Augen wurden feucht. Er nahm sich gewaltig zusammen. Das fehlte noch, daß er sentimental wurde.
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