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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
Autoren: Michael Innes
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Wagen hinaus, am Samstag nachmittag. Er wohnte, wie man es sich nach seinen Gedichten vorgestellt hätte – ein kleines Herrenhaus in Lark, am Fuße der Chilterns. Ein friedlicher Ort. Er schien wohlhabend, aber nicht reich, und hielt seinen Garten in Ordnung. Im wörtlichen wie im Marvellschen Sinne: Und pflanzte, zu gefallen seinem Gotte, die edle Bergamotte. Voltaire dazu. Ein rundum kultivierter Garten. Als erstes ging ich in ein Wohnzimmer, wo der Arzt und die örtliche Polizei auf mich warteten. Ich fand das Zimmer aufschlußreich. Ich weiß nicht, ob Sie seine Gedichte kennen, aber als ich das Wohnzimmer sah, ging mir auf, daß er sich mit Absicht auf sein enges Feld beschränkt hatte, mit der klugen Einsicht des wahren Kleinmeisters. Denn große Kunst war durchaus präsent, und man hatte den Eindruck, daß er auf vertrautem Fuße damit gestanden hatte. Im Zimmer gab es einen großen Tisch, an dessen einem Ende ein Sergeant von der dortigen Wache saß und sich seine Notizen machte – und am anderen Ende lag, aufgeschlagen beim dreißigsten Gesang, eine Ausgabe des Purgatorio mit Vernons Kommentar daneben. Ein Grammophon – ein Exemplar mit einem gewaltigen Horn – stand in der Ecke. Die letzte Platte, die er sich angehört hatte, war das Opus 131.«
    »Ah«, sagte Hetherton.
    »Nichts Ungewöhnliches an einem solchen Leben – aber nicht die Art Leben, die in einer Bluttat endet. Die halb aufgerauchte Zigarette neben einer ermordeten Prostituierten, das hat – glauben Sie mir – etwas Rührendes und Geheimnisvolles. Aber statt dessen der dreißigste Gesang des Purgatoriums …«
    »Da haben Sie recht.«
    »Ich sah mich im Zimmer um. Es verlockte zum Spekulieren, zu einer recht fruchtlosen Form von Spekulation. Jemand, der Dante las und trotzdem höhere Milchmädchenpoesie verfaßte … das mußte doch jemand gewesen sein, der wußte, was Stärke war – und der alles getan hatte, sich vor der Demütigung der Schwäche zu schützen. Ich strich durchs Zimmer, versuchte mir den Mann vorzustellen. Gut denkbar, daß er einen Hang zum Exzentrischen gehabt hatte – oder sagen wir sich exzentrisch gab. Ja, ich konnte mir sogar ein einfältiges Kichern vorstellen – ein Schutzwall, etwas in dieser Art. Mit Sicherheit kein impulsiver oder gar energischer Mann. Man malte sich aus, daß er Tagebuch schrieb …«
    »Und, schrieb er?«
    Appleby blickte Hetherton in sein ernsthaft fragendes Gesicht und lächelte. »Sie sollten Assistent bei uns werden; es sind immer die Assistenten, die die Kommissare von ihren Höhenflügen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Und die Frage ist angebracht. Die Antwort kennen wir leider nicht. Vielleicht führte Ploss Tagebuch und vielleicht wurde es vernichtet – Sie werden noch mehr dazu hören … Aber ich merke schon, Sie können es kaum erwarten, bis Sie die Leiche sehen.«
    Als fürchte er, daß es wörtlich gemeint sei, rückte Hetherton ein Stück zurück. Die meisten Gäste des kleinen Restaurants waren inzwischen gegangen, und statt des babylonischen Stimmengewirrs und des Klapperns von Messern und Gabeln war nun nur noch das Rumpeln des Verkehrs draußen vor der Tür zu hören. »Ich muß sagen, mein lieber Appleby, Sie haben mich da auf sehr unbekanntes Terrain geführt – äußerst unbekannt. Aber vor der Leiche soll mir nicht grausen. Im Gegenteil, ich könnte Ihnen vorwerfen, daß Sie sie mit Absicht zurückhalten, um die Spannung zu steigern.« Hetherton schüttelte so feierlich den Kopf, daß an der scherzhaften Natur dieses Vorwurfs kein Zweifel bleiben konnte. Aber plötzlich schlug seine Stimme in echten Ernst um. »Liebe Güte! Ich sollte wirklich nicht so leichtfertig über den armen Mann sprechen.«
    »Dann lassen Sie uns ernsthaft sein. Vorhin habe ich von einem Turm gesprochen. In Wirklichkeit erwies es sich als ein Hochsitz am höchsten Punkt des Gartens – ein großer Bau mit einer Art Wintergarten, von dem aus man einen prachtvollen Ausblick hat. Anscheinend verbrachte Ploss einen Gutteil seiner Zeit dort oben. Bücher lagen verstreut – Memoiren aus dem achtzehnten Jahrhundert hauptsächlich, mit Zetteln darin, als habe er Studien getrieben. Ich hatte befürchtet, daß ich Plossens Hirn nicht minder im Raum verstreut fände. Aber der Täter war behutsam zu Werke gegangen. Als ich ihn sah, begriff ich überhaupt nicht, daß es der Tote war.«
    Appleby hielt inne. Er war beinahe zufällig auf den Fall Ploss zu sprechen gekommen, aber je mehr er
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