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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
Autoren: Michael Innes
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Edward argwöhnisch ihr Spiel. Wandte man den Blick ostwärts, hielt die Nase in den Wind, der von Helgoland und Sylt herüberwehte, dann blickte man nach London, das nachts als großer Lichtfleck am Himmel von sich kündete. Und auch London, das, wenn man mit dem Zug hineinfuhr, ein so begreifbarer Ort der Theater, der Konzertsäle und der Clubs war, erwies sich aus dieser Ferne als Rätsel. Unendlich stark und unendlich verletzbar zugleich, komplex und doch ungeordnet, schien es wie ein Riese, der sich mühte, das Böse aus seinem Herzen zu verbannen und das Versprechen einer fernen Hoffnung zu erfüllen. Und vielleicht gelang es ihm sogar, dachte Philip Ploss oft – aber dann ließ ihn eine unterdrückte Sorge, ein ungutes Gefühl den Blick doch abwenden. Sein Auge wanderte weiter – im Geiste ließ er London hinter sich, spazierte an den North Downs entlang, verweilte an den Bächen und Buchten von Kent, wo man Jahrhunderte zuvor verzweifelt um England gekämpft hatte. Nicht lange, und er kam nach Dover: hier fand Ploss Zuflucht bei König Lear … und dann ging ihm durch den Kopf, daß eine Linie, die man von seinem Platz zum Shakespeare’s Cliff zöge und noch um zweiundzwanzig Meilen weiterführte, aller Wahrscheinlichkeit nach in Calais ankäme …
    Und weiter – zum größeren Rätsel des europäischen Kontinents – wanderte Philip Plossens geistiges Auge nicht. Statt dessen hob er den Blick zur unendlichen Weite des Himmels. Und dann – jedenfalls war es schon oft so geschehen – stieg er von seinem Hochsitz herunter, ging ins Haus, holte sein Scheckbuch hervor und bezahlte so viele Rechnungen, wie er finden konnte. Anschließend machte er einen Spaziergang zum Wäldchen, und ihm fiel auf, wie schwarz die Brombeeren schon waren, oder er ging zur Wiese, wo es einen mächtigen Stier gab. Die seltsame Logik, die hinter alldem steckte, mochte nicht eben edel sein – aber ein umsichtiger Mann hat doch das Recht, sich Frieden zu kaufen, so gut er kann. Wäre Philip Ploss in der Lage gewesen, mit dem Erbe des väterlichen Teehandels, mit dem, was ihm die Bekanntschaft mit Herausgebern und Verlegern bescherte, auf weniger unmittelbare Weise einzugreifen – hätte es ihm Einfluß in Ministerien und Kabinetten verschafft, eine Stimme in einer Vorstandsetage oder einem Aufsichtsrat –, dann wäre diese Erzählung wohl nie geschrieben worden. Dann hätten wir statt dessen noch viele schmale Bändchen Ploss lesen können.

Kapitel 2
    Die letzte Rechnung
    »Ploss«, sagte John Appleby nachdenklich. »Philip Ploss, der Kuh-und-Butterblumen-Dichter. Wer würde denn einen derart harmlosen Menschen erschießen?«
    Der alte Mr.   Hetherton setzte sein Glas Milch ab und sah sich argwöhnisch in der Expreß-Milchbar um. Er und Appleby trafen sich alle vierzehn Tage dort und plauderten über Archäologie. Das heißt, sie plauderten über Mr.   Hethertons ureigenstes Fachgebiet, denn Hetherton betreute im Britischen Museum einige Altertümer. Und nun war Appleby ganz gegen ihre Gewohnheit auf seine eigene Arbeit zu sprechen gekommen, und Appleby arbeitete bei Scotland Yard. Hetherton, der zum Abstrakten neigte, sah in seinem Freund eine Art Kriminologen und war verblüfft, als er nun, wenn man so sagen wollte, eine echte Leiche auf den schmalen Marmortisch gelegt bekam. Vorsichtig blickte er in alle Richtungen – es war schließlich kein Thema für junge Ohren – und hakte dann mit der ersten Frage, die ihm in den Sinn kam, nach. »Ein Kuh-und-Butterblumen-Dichter ?«
    »Einfache Verse, erbaulich – Babynahrung. Und stets ländlich.«
    »Ah ja.« Hetherton hatte nur eine sehr vage Vorstellung davon, was Babynahrung war, und gab mit seiner Antwort zu verstehen, daß ihm bewußt war, daß es sich um eine geistreiche Bemerkung handelte, daß ihm leider die Faktenbasis fehlte, sie zu würdigen, daß er aber das Bemühen zu amüsieren durchaus zu schätzen wußte. »Und er ist tot ?« nahm er einen zweiten Anlauf.
    »Mausetot. Auf der Stelle. Und man sah es ihm überhaupt nicht an. Das beschäftigt mich.«
    Hetherton griff nach der Speisekarte, als erhoffe er sich von einer zweiten Portion gebackene Bohnen auf Toast eine beruhigende Wirkung. »Und die Möglichkeit«, fragte er, »daß der arme Mann sich selbst das Leben genommen hat, schließen Sie aus?«
    »Anfangs spielte ich mit dem Gedanken.« Appleby riß ein Stück von einem Brötchen ab. »Es war mein erster Vorschlag – wenn auch nur im Scherz. Das hört sich
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