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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar
Autoren: Ron Leshem
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ich sie fragen würde, wäre das unverschämt?»
    «Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte», entschuldigte sich Zahra, «ich habe natürlich nachgehakt – was mit der Familie ist oder wo sie sich in den Wochen der Revolution versteckt gehalten hat. Aber Frau Safureh versteht es auszuweichen und die Fragen in Vergessenheit geraten zu lassen. Sie ist schließlich eine Akrobatin in profanen Unterhaltungen, sie wird dich stets mit Geschichten über verlockende Orte auf der ganzen Welt überraschen.»
    «Sie hat die ganze Welt bereist?», staunte ich.
    «Die Arme, sie hat ihr Leben lang davon geträumt, die Welt zu umrunden. Außer einem organisierten und einmaligen Ausflug zum al-Hamidia-Markt in Damaskus hat sich nichts ergeben. Wenigstens große Träume hat sie im Überfluss, und hier bei uns gibt es immer jemanden, dem man die Schuld geben kann, wenn sie nicht verwirklicht werden.»
    Wieder öffnete sich die Tür. Es war der Mieter der Eineinhalb-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. «Babak Tiban, angenehm.» Er war siebenundzwanzig und lächelte immer – wie eine strahlende Sonne. Am Morgen, wenn Frau Safureh aus dem Park zurückkehrte, brühte Zahra hier den Tee auf, und Babak kam von der Bäckerei am Platz. «Das ist so eine Zeremonie», erklärte er, «die den Tag gemeinsam eröffnet.» Er rief: «Schirini! Gebäck für alle!», und holte süße Brötchen aus einer großen Papiertüte, Nane schirmal, Nun ghandi und süßes armenisches Brot, das frisch und warm duftete. Zahra servierte alles auf dekorativen Bronzetellern, mit Sarschir, dickem süßen Rahm, und Fruchtmarmelade. «Das wird nett für dich, ein junger Freund im Viertel», ermunterte sie mich. Also fragte ich Babak, wo man sich hier in der Stadt so aufhalte, vielleicht könne er mir etwas empfehlen. Er schlug die Augen nieder. «Ich bleibe lieber zu Hause, leihe mir Filme aus der Videothek oder rolle mich mit Harry Potter im Bett zusammen.»
    «Babak ist müde», verteidigte Zahra ihn, «schließlich arbeitet er vormittags als Regierungsangestellter im Bauministerium, und am Nachmittag stockt er sein Einkommen in einer Näherei hier in der Straße auf. Aber nicht schlimm, alles ist vorübergehend, der Tag ist nicht mehr weit, an dem er mit dem Geld, das er gespart hat, eine eigene Immobilienagentur eröffnen wird, es gibt nichts Besseres als Immobilien in dieser Stadt.»
    Wir setzten uns zu viert um den Esstisch und lächelten einander so herzlich an, dass sich alle Verlegenheit zerstreute. «Kami, mein Freund», sagte Frau Safureh, «wenn es dein Wunsch sein sollte, dich dem Frühstücksclub anzuschließen, werden wir dir beibringen müssen, dich zu beklagen. Unsere Gebäckfrühstücke sind nicht süß genug ohne einen dicken Schuss Klagen.»
    «Worüber möchten Sie denn, dass ich mich beklage?»
    «Über alles natürlich. Ballast abwerfen, Dampf ablassen, was könnte gesünder sein? Hier, wir demonstrieren es dir gerne.» Frau Safureh eröffnete die Runde mit einer Beschwerde über die Inflation – sie nage an ihren Geschäften, die verfluchte Inflation. Und auch über den Staat erzürnte sie sich, der auf sie spuckte, ausgerechnet auf sie, die ihre besten Jahre für den Dienst an der Öffentlichkeit hingegeben hatte, wie hatten sie es nur gewagt, ihre Uhr in so jungen Jahren anzuhalten? Und warum hatte das Display des Mobiltelefons derart kleine Zeichen? Könnte ihr irgendjemand gefälligst erklären, mit welchem Recht man einer altehrwürdigen Bürgerin wie ihr die Möglichkeit verwehrte, Textnachrichten zu verschicken? Zahra erboste sich anschließend über den Obersten Führer, der genau, als für sie alles perfekt zu sein begann, dahergekommen war, um das Allerschlimmste über sie zu bringen. Und auch über Chamad, den Kater, der Durchfall hatte und überall hinkackte, dieser Idiot, wer hatte schon je von einer Katze mit Überempfindlichkeit gegen Milchprodukte gehört? Und der lächelnde Babak, sogar er beschwerte sich über die Regierung, über die Gesetze, die ihm das Leben sauer machten. Nichts konnte er auf die Beine stellen ihretwegen. Aber auch über die Reformen, die Öffnungen, auch darüber beklagte sich Babak, denn plötzlich schien ihm, als sei es in der Kinderzeit geradezu ein Spaß gewesen, ein verbotenes Videogerät im Haus zu haben, eine Krawatte zu tragen oder Schach zu spielen – nicht dass er Schach spielen könne, aber trotzdem war es etwas Besonderes, da es verboten gewesen war –, denn früher, ganz am
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