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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar
Autoren: Ron Leshem
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Anfang, war praktisch alles verboten gewesen. Und es gab auch Initiativen, bei denen das Wasser wegen Knappheit abgesperrt wurde. Wie könne man das je vergessen? Das Leben sei viel familiärer gewesen, jammerte Babak sehnsüchtig. Also probierte auch ich es: «Der Trainer der Nationalmannschaft, wie konnte er bloß zulassen, dass uns die Saudis aus dem Weltpokal geworfen haben?» Ich versuchte, wütend zu klingen, und vermisste den verstorbenen Ali Samimi, der zu sagen pflegte, die Menschen werden immer an den Mauern dessen zerschellen, was sie nicht haben.
    Die Beschwerderunde war auch von einer Sicherheitsanweisung aus dem Mund der alten Dame begleitet: «Nimm dich in Acht vor der Familie Nadschafian, in ihrer Gegenwart darf man nicht meckern.» Sie erzählte, dass Zahra sie schon längst aus dem Haus entfernt hätte, wenn sie sich nicht vor den Beziehungen der Familie zu gewissen Stellen fürchten würde. Das Problem war, dass der dicke Sohn, Mas’ud Nadschafian, immer auf der Treppe saß und wie ein Denunziant hastig nach oben und unten spähte und jede Bewegung in Türnähe mit wütendem und anklagendem Blick verfolgte. Manchmal sitze er, erbitterte sich Frau Safureh, einfach so im Treppenhaus und stricke, «ein strickender kleiner Fettwanst», sagte sie, als würde ihn das noch zusätzlich belasten. Doch der Vater Nadschafian, der sei natürlich das eigentliche zweifelhafte Subjekt, jeden Augenblick könne er zum Hörer greifen, die 110 wählen und innerhalb weniger Minuten würden bemannte Toyotas über uns alle herfallen. So sagte sie es. Ein ungefähr vierzigjähriger Mann, stets mit einem Wollschal um den Hals, einer schwarzen Brille auf der Nase und einem Schnurrbart darunter. Er trug neue, fusselnde Pullover, und wenn es kalt war, auch ein elegantes Stoffjackett. Er hatte einen Kiosk für Zigaretten und Zeitungen in der Straße sowie ein öffentliches grünes Telefon, seine Theke blickte geradewegs auf das Haustor. Und was veranschaulichte seinen Fanatismus besser als die Tatsache – die sich gerade erst kürzlich offenbart hatte –, dass Herr Nadschafian sich weigerte, Coca-Cola zu verkaufen? Frau Safureh hatte ganz unschuldig eine Flasche verlangt, worauf er ihr, mit kokettem Zwinkern, geantwortet hatte, so etwas führe er nicht. Schlicht und einfach nein, denn es gebe keinen Grund, die Kapitalisten zu finanzieren oder an der Gehirnverschmutzung der Kinder im Viertel durch solche Symbole Verantwortung zu tragen, daher verkaufe er nur Zamzam Cola, das früher, bevor ich geboren wurde, Pepsi war, und Farsi und Mecca Cola, importiert aus Saudi-Arabien, sowie Nushab Cola aus Dubai, was in seinen Augen mehr als genug sei. Noch bevor es Frau Safureh gelungen war, sich über diese ärgerliche Entdeckung zu beruhigen, folgte eine noch ärgerlichere. Sie stand auf der Straße, ging ihren Geschäften nach, störte keinen Menschen, in einem farbenfroh karierten Hosenanzug, was einen erfolgreichen Eindruck auf die Kunden machen sollte. Ein Auto voller japanischer Touristen hielt neben ihr, der schlitzäugige Fahrer begrüßte sie freundlich und fragte: «Meine Dame, gestatten Sie, wie gelangt man zum Platz der Revolution?» Die Alte antwortete ihm: «Was haben Sie denn am Platz der Revolution verloren?» Aber noch bevor das Fragezeichen getrocknet war, gewahrte sie, dass Herr Nadschafian aus seinem Kiosk einen bösen Blick auf sie abschoss, als habe sie die Republik beleidigt. Er beeilte sich natürlich, sein Gesicht zu einem falschen Lächeln zu verziehen, als sie ihn dabei ertappte. Typisch, so war Herr Nadschafian, seine Nettigkeit erweckte stets Widerwillen. Das brachte Frau Safureh jedoch nur für einen Moment aus dem Konzept, denn sie fuhr umgehend fort, dem japanischen Gast zu Diensten zu sein. «Mein Freund, wenden Sie sich bitte an der Bukareststraße nach rechts.» Gänzlich schamlos schnitt Herr Nadschafian ihr mit einem Mal das Wort ab – «Die Straße des Schahid Ahmad Qassir, sie heißt doch schon längst nicht mehr Bukareststraße» – und dehnte sein Lächeln noch breiter. Der japanische Tourist entfernte sich, und Frau Safureh, erschrocken, trat zum Kiosk, kaufte eine Flasche Zamzam Cola und sagte beschwichtigend zu Nadschafian, was sie danach sehr bereute: «Na gut, ich dachte, dass es für den Japaner leichter wäre, sich Bukarest zu merken, das ist so ein bekannter internationaler Name, aber Sie haben recht, Herr Nadschafian, auch der Märtyrer Ahmad Qassir ist sicherlich bekannt und
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