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Der gefährliche Drache

Titel: Der gefährliche Drache
Autoren: Nancy Atherton
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Cottage zu tuckern. Währenddessen sprühte mein Geist vor Ideen rund um Säbel, Kreolen und rosenfarbene Wimpel.
    Es war fast zehn Uhr abends, als ich in unsere Kieselsteineinfahrt bog, also gute zwei Stunden nach der Schlafensgehzeit unserer Zwillinge, nicht jedoch der meines Mannes. Während ich den Mini zwischen meinem Rover und seinem Mercedes parkte, hoffte ich inbrünstig, dass Bill auf mich gewartet hatte. Sekunden später sprintete ich bereits über die Platten des Gehwegs, ohne den frühen Rosenblüten Beachtung zu schenken, die an den Spalieren der Vordertür aufgeblüht waren, oder dem süßen Frühlingsduft des späten Flieders.
    Als ich die Diele betrat, hob ich meine Kopie des Dienstplans hoch und rief: »Heil dem guten König Wilfred!«
    In dieser Pose blieb ich stehen, doch als Bill noch immer nicht aus dem Wohnzimmer auftauchte, um zu fragen, was um Himmels willen ich da mache, warf ich den Plan auf das Telefontischchen, hängte meine Tasche an den Garderobenständer und machte mich auf die Suche nach ihm.
    Ich fand ihn oben, im Bett, mit Stanley, unserem schwarzen Kater, der zu seinen Füßen zusammengerollt lag. Als ich das elterliche Schlafzimmer betrat, öffnete Stanley eines seiner löwenzahngelben Augen, schloss es aber rasch wieder. Mich mochte er ganz gern, aber meinen Gatten betete er an, und er wäre damit zufrieden gewesen, den Rest seines Lebens zu Bills Füßen verbringen zu können.
    Bill schlief so tief, dass er sich nicht rührte, als ich mich zu ihm hinabbeugte, um ihn auf die Wange zu küssen, und als ich absichtlich ein paar Mal mit dem Knie gegen das Bett stieß, rollte er sich einfach auf die andere Seite und schmiegte das Gesicht ins Kopfkissen. Ich ließ einen enttäuschten Seufzer vernehmen, doch auch der vermochte Bill nicht aufzuwecken. Auf Zehenspitzen verließ ich das Schlafzimmer.
    Ich ging den Flur entlang zum Zimmer der Zwillinge, die ebenso tief schliefen wie ihr Vater. Als ich ihre beiden identisch aussehenden Gesichter betrachtete, stellte ich mir vor, wie ihre braunen Augen strahlen würden, wenn ich ihnen am nächsten Morgen von den Ritterturnieren erzählte. Lächelnd zog ich die Bettdecken straff um ihre Körper, küsste sie auf die zerzausten Köpfe und ging ins Erdgeschoss hinunter. Meine Männer waren mir sehr lieb, aber ich war noch nicht bereit, mich zu ihnen ins Land der Träume zu gesellen. Es drängte mich, jemandem von der Kirmes zu erzählen.
    Emma, meine beste Freundin, war nicht zu der Maiversammlung gekommen, weil sie bei einem kranken Pferd wachte. Aber es war zu spät, um sie anzurufen. Genau genommen war es zu spät, um irgendeinen meiner Freunde, die allesamt Frühaufsteher waren, anzurufen. Also begab ich mich ins Arbeitszimmer, wo ich, wie ich wusste, jemanden antreffen würde, der immer hellwach war.
    Dort war es still und friedlich. Kein Luftzug bewegte den Efeu draußen vor dem Sprossenfenster, unter dem der alte Eichenschreibtisch stand. Nachdem ich die Tür leise hinter mir zugemacht hatte, knipste ich die Lampe auf dem Kaminsims an, entzündete im Kamin ein Feuer und verbeugte mich tief vor Reginald, der von seinem Stammplatz im Bücherregal zu mir herabsah.
    Reginald war ein pudrigrosa Flanellhase. Er hatte schwarze Knopfaugen, wunderschöne handgestickte Barthaare und einen verblassten, ehemals purpurroten Flecken auf seiner Schnauze, die Erinnerung an einen Tag in meiner Kindheit, als ich ihn von meinem Traubensaft kosten ließ. So weit ich zurückdenken konnte, war Reginald immer an meiner Seite gewesen, und als mein ältester Freund verdiente er einen Ehrenplatz im Cottage. Zwar verbeugte ich mich normalerweise nicht vor ihm, aber es wäre undenkbar gewesen, das Arbeitszimmer zu betreten, ohne ihn zu begrüßen; und an diesem Abend war ich noch ganz in dem Traum gefangen, den Calvin Malvern für uns gesponnen hatte.
    »Seid gegrüßt, Sir Reginald«, sagte ich, während ich mich wieder aufrichtete. »Wie geht es Euch an diesem wunderschönen Maiabend? Erinnert Ihr Euch Eurer ritterlichen Taten, während Ihr auf Eurem … Regalbrett sitzt?«, beendete ich dürftig meine kleine Ansprache und grinste. »Ich bin noch nicht ganz firm im Fachjargon, Reg, aber ich habe noch einen Monat, um zu üben. Ihr werdet beeindruckt sein!«
    Reginalds schwarze Knopfaugen glitzerten, und ich meinte, ein vages Verständnis darin aufblitzen zu sehen, als hielte er mich für ein wenig verrückt, wäre aber gewillt, die weitere Entwicklung abzuwarten. Ich
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