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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition)
Autoren: Helke Böttger
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In einem fand sie ein verlassenes Krankenhausbett vor, in einem anderen einen Ziegelstein mit einer blutigen Kante und eine Plastikplane auf dem Boden.
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie wirbelte herum und richtete ihre Waffe auf den Türeingang, von dem der Ton gekommen war. Doch dort flatterte nur eine weitere Plastikfolie im Wind. Von den Gesuchten fehlte jede Spur.
     
    Victoria war in die Bauruine zurückgekehrt. Sie hatte es im Freien nicht ausgehalten, sie wollte bei Ronald sein, seinen leblosen Körper von der Plane befreien. Wankend lief sie zurück, doch als sie an der Stelle ankam, wo er gelegen hatte, fand sie nur noch die Folie vor. Der Mann war verschwunden.
    Ihr Herz raste erneut.
    »Ronald!«, rief sie. »Wo bist du?«
    Es blieb unheimlich still.
    Hastig hinkte sie durch die Räume der Bauruine, von Zimmer zu Zimmer. Es war so staubig darin, dass sie husten musste. Ihr Knie schmerzte, ihre Füße wollten sie kaum noch tragen. Als sie eine Treppe erreichte, die in das Kellergeschoss führte, stockte ihr Schritt.
    Zögerlich stieg sie die Stufen hinab.
    »Ronald? Bist du hier?«
    Sie erhielt keine Antwort. Am Fuße der Treppe angekommen, hielt sie entsetzt inne. Sie entdeckte mehrere Flakons mit ihrem Parfüm, die ordentlich nebeneinander aufgereiht waren. Hinter ihnen lehnte Ronald an der Wand, bleich und röchelnd. In der Hand hielt er ein blutverschmiertes Messer, das er auf sie richtete.
    »Was hast du vor?«, flüsterte sie entsetzt, als ihr der Zweck der Fläschchen bewusst wurde.
    »Es gibt zu viele Frauen, die dir ähneln, Victoria. Zu viele Erinnerungen für mich.«
    »Du kannst sie nicht alle töten. Du willst doch nur mich. Bitte, Ronald, töte nur mich. Dann verschwinde ich aus deinen Erinnerungen. Lass diese anderen Frauen in Ruhe.«
    Er kam auf sie zu. »Du wirst dich wieder wehren, und ich muss sie alle erledigen, um das zu vergessen.«
    »Ich werde mich nicht wehren. Ich verspreche es dir.«
    Er war nur noch drei Schritte von ihr entfernt. »Ich habe dich geliebt, Victoria.«
    Nur noch zwei Schritte.
    »Ich weiß.«
    Nur noch ein Schritt.
    »Leb wohl, meine Liebe«, sagte er und hob das Messer, um zuzustechen.
    In diesem Moment fiel ein Schuss. Ronald wurde nach hinten geschleudert, in seiner Stirn klaffte ein Loch, aus dem Blut spritzte. Dann fiel er zu Boden und blieb regungslos liegen.
    Erschrocken fuhr Victoria herum und starrte Kommissarin Lucia Hernandez an, die die Waffe senkte.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte die Spanierin.
    Victoria wollte etwas erwidern, doch ihr Mund bewegte sich nur lautlos. Dann fiel sie einfach um.
     
    Kommissarin Lucia Hernandez blieb keine Zeit, ein Zittern oder auch nur den Anflug von Schuldgefühlen aufkommen zu lassen. Sie rief sofort einen Krankenwagen, der Victoria zurück ins Krankenhaus brachte, wo sie auf einer wesentlich freundlicheren Station untergebracht wurde und dieses Mal ihre Hände frei blieben. Danach forderte Lucia die Spurensicherung an, die das Haus, in dem der Vorfall stattgefunden hatte, und vor allem die Kellerräume, absperrte und gründlich untersuchte.
    Nachdem sie alle eingewiesen und in einem Telefonat mit ihrem Chef bestätigt hatte, dass der Mörder gestellt und die Verstärkung vom Festland unnötig sei, fuhr die Kommissarin direkt ins Krankenhaus zu der Deutschen, die inzwischen aufgewacht und ansprechbar war.
    »Ich hoffe, Sie wollen jetzt nicht die Insel wechseln, um den Erinnerungen zu entkommen«, sagte sie und versuchte ein entschuldigendes Lächeln.
    Victoria verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht.« Sie sah die Polizistin an, dann sagte sie leise: »Sie haben ihn erschossen.«
    »Ich musste es tun«, erwiderte die Kommissarin genauso leise. »Er wollte Sie töten. Das konnte ich nicht zulassen. Es tut mir trotzdem leid, dass Sie das erleben mussten.«
    »Ich wollte es nicht glauben, aber er hat wirklich all diese Frauen umgebracht.«
    »Er war verrückt.«
    Victoria nickte. »Er ist zu einem Monster geworden. So war er nicht immer.« Unwillkürlich bahnten sich ein paar Tränen ihre Bahn und liefen ihre Wangen hinunter.
    »Und Sie sind eine bemerkenswerte, tapfere Frau. Erzählen Sie mir, was in dem Haus vorgefallen ist, bevor ich kam?«
    Victoria berichtete unter Tränen von den Geschehnissen. Eine Ärztin bestätigte anhand der Verletzungen den ungefähren Verlauf der Vorkommnisse.
    »Ich muss das offiziell zu Protokoll nehmen«, sagte die Kommissarin.
    »Ich weiß. Ich werde gerne
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