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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff
Autoren: James Gunn
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Zu seinen Füßen, an sein knochiges Knie gelehnt, Christopher.
    Der Bildschirm flackerte, und Weaver erschien grinsend.
    »Du bist ungeduldig, Marna. Das gefällt mir. Warte nur, die Hochzeitskutsche kommt gleich.«
    Die Lifttüren öffneten sich seufzend. Die Braut trat in den Aufzug. Als die Türen sich zu schließen begannen, stand Pearce auf und sagte: »Sie suchen Unsterblichkeit, Weaver, und glauben, sie gefunden zu haben. Was Sie besitzen, ist aber nur ein lebendiger Tod. Ich werde Ihnen die einzig wirkliche Unsterblichkeit zeigen …«
    Der Lift sank nach unten. Detektoren überprüften die Braut, fanden nur Stoff. Der Aufzug wurde langsamer. Nachdem er hielt, blieben die Türen noch für einen Augenblick geschlossen, dann öffneten sie sich quietschend.
    Ein Geruch nach Fäulnis drang in den Lift. Die Braut zuckte einen Augenblick zurück, dann trat sie hinaus. Der Raum war einst ein grandioser Mechanismus gewesen: eine Höhle aus rostfreiem Stahl. Nicht viel größer als die gigantische Luftmatratze in der Mitte, war der Raum völlig automatisch. Temperaturregler sorgten für gleichmäßige Wärme. Die Nahrung kam direkt von den Verarbeitungsräumen durch die Rohre herauf, ohne menschliches Zutun. Sprühanlagen waren installiert, um Schmutz und Abfall hinauszuschwemmen. Ein Sprühknopf an der Decke mußte das Wesen auf der Matratze waschen. Rund um die Matratze, wie ein großes Kreislauforgan mit zehntausend Tasten, befand sich eine komplizierte Kontrollkonsole. Unmittelbar über der Matratze an der Decke war ein Bildschirm angebracht.
    Auf dem Boden lag verfaulende Nahrung, lagen Dosen und Abfälle. Als die Braut das Zimmer betrat, schwärmten ganze Scharen von Kakerlaken aus. Mäuse verschwanden in ihren Löchern.
    Die Braut zog den langen Seidenrock über ihre Hüften. Sie wickelte eine dünne Nylonschnur von ihrer Taille. Das Ende war zu einer Schlinge geformt. Sie schüttelte die Schnur, bis sie frei herabhing.
    Sie hatte gesehen, daß Weaver den Bildschirm an der Decke mit ungeheurer Konzentration betrachtete. Pearce sprach immer noch auf ihn ein.
    »Das Altern ist keine körperliche Krankheit, sondern eine geistige. Der Verstand wird müde und läßt den Körper sterben. Die Immunität der Cartwrights dem Tod gegenüber findet sich nur zur Hälfte in ihrem Blut; die andere Hälfte ist ihr unbeugsamer Wille, zu leben.
    Sie sind einhundertdreiundfünfzig Jahre alt. Ich habe Ihren Vater gepflegt, der starb, bevor Sie zur Welt kamen. Ich gab ihm, ohne es zu wissen, eine Transfusion von Marshall Cartwrights Blut.«
    Weaver flüsterte: »Aber dann wären Sie ja –« Seine Stimme klang dünn und hoch.
    »Beinahe zweihundert Jahre alt«, sagte Pearce. Seine Stimme klang stärker, sonorer, tiefer – sie flüsterte nicht mehr. »Ich habe nie eine Transfusion von Cartwright-Blut erhalten, nie eine Injektion von Elixier vitae. Der wirksame Verstand kann bewußt die Kontrolle des autonomen Nervensystems, der Zellen erlangen, aus denen das Blut und der Körper bestehen.«
    Die Braut reckte den Hals, um auf den Bildschirm sehen zu können. Pearce sah merkwürdig aus. Er war größer geworden. Seine Beine waren gerade und muskulös, seine Schultern breiter. Während die Braut zusah, entwickelten sich Muskeln, Fleisch und Fett unter seiner Haut, festigten sie, glätteten die Runzeln. Die Gesichtsknochen verschwanden unter jungem Fleisch, junger Haut. Seidiges weißes Haar wurde dicht und dunkel.
    Seine eingesunkenen Lider wurden voll und hell. Dann öffneten sie sich. Und Pearce starrte Weaver an, groß, stark und hochaufgerichtet – gewiß nicht älter als dreißig Jahre. In diesem Gesicht war Macht zu spüren – kontrollierte Macht. Weaver wich davor zurück. Dann erschien Marna auf dem Bildschirm.
    Weavers Augen traten aus ihren Höhlen, sein Kopf zuckte zur Seite, sein Blick richtete sich auf die Braut. Harry warf den Schleier ab und faßte die Nylonschlinge mit zwei Fingern. Die Bedeutsamkeit seiner nächsten Bewegung übertraf alles bisher Dagewesene. Der erste Wurf mußte treffen, weil ihm kaum eine Chance für einen zweiten bleiben mochte.
    Und wenn er in diese gewaltigen Arme geriet! Eine Umarmung würde ihn erdrücken.
    In diesem Augenblick fuhr Weavers Kopf überrascht hoch, und seine Hand zuckte zur Konsole. Harry warf die Schnur. Die Schlinge fiel über Weavers Kopf und spannte sich um seinen Hals.
    Ich habe einen Unsterblichen an der Angel, dachte Harry halb von Sinnen, einen großen, weißen Wal,
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