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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder
Autoren: Wolfgang Burger
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Sonnenuntergänge am Meer. Mochte der Wirt auch vom Balkan stammen – nach den Gerüchen zu schließen, die aus der Küche drangen, war der Koch Italiener.
    Inzwischen war es halb zwölf geworden, wie eine mit drei glutäugigen Grazien bemalte Uhr über der blitzsauberen Theke anzeigte. Ich fragte mich, ob die Fischerdörfer in Italien oder in Bulgarien lagen. Lag Bulgarien überhaupt am Meer? Gab es dort Fischer? Ich wusste so gut wie nichts über dieses Land, wurde mir bewusst, außer, dass es seit einigen Jahren irgendwie zur Europäischen Union gehörte und auch wieder nicht.
    Aus der Küche hörte ich einen kurzen und heftigen Wortwechsel in einer unverständlichen Sprache, dann erschien der gehbehinderte Wirt wieder, gefolgt von dem Mann, den er Slavko genannt hatte. Der hielt sein Wichtigtuer-Handy noch in der Hand.
    In meinem Rücken öffnete sich die Eingangstür. Eine weitere aufsehenerregende Dunkelhaarige stöckelte an mir vorbei, nickte dem Wirt zu und verschwand mit gesenktem Blick und wiegendem Modelschritt durch eine zweite Tür, die vermutlich ins Treppenhaus und zu den Toiletten führte.
    Slavko hieß mit Nachnamen Dobrev und war um drei Ecken mit dem Wirt verwandt. Er lebte schon seit vielen Jahren in Heidelberg, erzählte er bereitwillig, und war mit einer waschechten Handschuhsheimerin verheiratet.
    Der Wirt hatte sich einen Stuhl genommen und gesetzt, das steife Bein von sich gestreckt. Nun beobachtete er seinen jungen Verwandten mit einer Miene, als würde er nicht zögern, ihn mit seinem Stock zu verprügeln, sollte er sich nicht anständig aufführen.
    Â»Ich bin Deutscher, wissen Sie«, erklärte Slavko Dobrev stolz und versenkte sein Edelhandy in einer Tasche seiner teuren Anzugjacke.
    Â»Was sind Sie von Beruf?«
    Â»Alles Mögliche.« Er wechselte einen Blick mit dem Wirt. Grinste. »Zurzeit helfe ich meinem Onkel mit dem Lokal.«
    Und davon konnte man sich Joop-Anzüge leisten und ein Smartphone und eine Protzarmbanduhr und einen Porsche Cayenne, dachte ich.
    Laut sagte ich: »Wer war das?«
    Â»Wer war was?«
    Â»Sie wissen, was ich meine.«
    Â»Sie meinen, wer mein Auto …? Ich hab keinen blassen Schimmer. Ehrlich.«
    Â»Mit wem haben Sie gerade telefoniert?«
    Eine Spur zu zögernd hob er die Schultern.
    Â»Mit meiner Frau. Wollt ihr sagen, was passiert ist, bevor sie es im Radio hört und sich Sorgen macht.«
    Â»Sie haben vorhin eine Bemerkung gemacht, als wüssten Sie ganz genau, wer hinter dem Anschlag steckt.«
    Nun begann Dobrev zu schwitzen.
    Â»Der Schock«, brummt er unglücklich. »Da sagt man schnell mal was.«
    Â»Herr Dobrev«, sagte ich förmlich, »Sie wissen ganz genau, wer hinter dem Anschlag steckt. Zumindest haben Sie einen Verdacht.«
    Â»Einen Dreck weiß ich, fuck!« Er schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Ich bin hier das Opfer, Mann! Meine Karre war nagelneu, und jetzt ist sie Schrott! Siebzigtausend Mücken sind im Arsch, und ich hab keine Ahnung, ob mir irgendwann irgendeine Scheißversicherung auch nur einen Cent davon ersetzt!«
    Bereitwillig zeigte er mir den Kfz-Schein und seinen Personalausweis. Der Cayenne war auf seinen Namen zugelassen und tatsächlich erst vier Monate alt. Zwischenzeitlich hatte eine weitere Bedienung das Lokal durchquert, dem Wirt zugenickt, Dobrev ignoriert und war nach hinten verschwunden. Demnächst würden vermutlich die ersten Gäste auftauchen. Ich notierte mir Namen und Anschrift der beiden Männer. Der Wirt wohnte in einem gemieteten Haus in Wieblingen im Westen von Heidelberg, sein merkwürdiger Neffe in einer Etagenwohnung in Handschuhsheim.
    Ich gab Dobrev seine Papiere zurück.
    Â»Wie lange hat der Cayenne da drüben gestanden, bevor es gekracht hat?«
    Â»Paar Minuten«, murmelte Slavko unglücklich. »Bin beim Großmarkt gewesen, Gemüse kaufen und Fleisch und Fisch. Grad war ich fertig mit den letzten Kisten und komm wieder aus der Küche, und da – rums!«
    Â»Da haben Sie ja ganz schön Glück gehabt!«
    Â»Kann man wohl sagen, ja«, erwiderte er mit gesenktem Blick.
    Â»Und Sie wissen wirklich nicht, wer hinter dem Anschlag steckt? Wer Sie unbedingt tot sehen möchte?«
    Â»Nein. Weiß ich nicht.«
    Es hatte keinen Sinn, hier weiterzubohren. So wandte ich mich wieder an den Wirt, dessen Blick an
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