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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi
Autoren: Maurizio de Giovanni
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verlangen: Geht auf ’s Haus! So verstrichen die Monate und die Jahre. Er hatte geheiratet; seine hübsche Concettina war noch fröhlicher und noch ärmer als er. In kurzen Abständen kamen Mario, Giuseppe und Lucietta zur Welt, schön wie die Mutter und laut wie ihr Vater, bloß essen konnten sie wie Vater und Mutter zusammen. Mit dem Wagen kam er nicht mehr nach.
    Also hatte er sich gedacht, dass vor allem die Reichen auswärts essen und dass die Reichen sich an einen gedeckten Tisch setzen und bei Mandolinenmusik trinken und feiern möchten. Als der alte Hufschmied im Vicolo SanTommaso in Rente ging, wurde sein Laden frei. Darin war Platz genug für zwei große und ein bis zwei kleine Tische. Am Anfang würde er die Pizzen backen und Concetta bedienen; später dann, wenn alles angelaufen war, könnte auch Mario, der Älteste, mithelfen.
    Trotz der Ersparnisse der Mutter und allem, um was man Verwandte und Freunde hatte bitten können, fehlte allerdings immer noch eine schöne Stange Geld. Der Wagen war schon verkauft, es gab kein Zurück mehr. Da hatte ein Freund ihm erzählt, dass in der Sanità eine alte Frau Geld zu niedrigen Zinsen verlieh, auch langfristig.
    Er war zu ihr gegangen und hatte bekommen, was er brauchte. Vor sechs Monaten hatte er die Pizzeria eröffnet.
    Zur Einweihungsfeier waren alle gekommen, Verwandte, Freunde, Bekannte – nur die Alte nicht, denn sie ging nicht gerne aus dem Haus. Alle waren gekommen und hatten gegessen, am ersten und am zweiten Tag, um Glück zu wünschen, und er hatte kein Geld von ihnen genommen. Danach allerdings ließen sich weder Freunde noch Verwandte je wieder blicken.
    Tonino begriff, dass die Alten Recht haben, wenn sie sagen, der Neid treffe die Leute härter als der Schlag. Natürlich ging ab und zu jemand vorbei und kam herein, aber das Lokal lag nicht an einer Hauptstraße, man musste es kennen, um hinzufinden, und niemand kannte es. Nach und nach vergingen Tage und Monate und Tonino merkte, dass er eine Dummheit begangen und zu viel Geld für Einrichtung und Vorbereitungen ausgegeben hatte, Geld, das für immer verloren war. Nach drei Monaten hatte die Alte das Darlehen um weitere zwei Monate verlängert,unter Erhöhung der Zinsen, danach hatte sie ihm nur noch einen Monat Aufschub gewährt und ihn schreiend und schimpfend hinausgeworfen. Sie hatte ihn gewarnt: Die Frist lief zum letzten Mal ab und er würde bezahlen müssen.
    Als Tonino die Tür zu seiner Wohnung öffnete, sprang Lucietta ihm auf den Arm und bedeckte ihn mit Küssen. Sie war immer die Erste, die ihn ankommen hörte. Er drückte sie an sich, und mit erstarrtem Lächeln ging er dem Rest der Familie entgegen. Er spürte, wie sein Herz sich ihm in der Brust zusammenzog. Am nächsten Tag würde der Wechsel fällig sein, zum letzten Mal. Und er hatte nicht einmal die Hälfte des Geldes zusammen.
II
    Der Frühling erwachte in Neapel am vierzehnten April Neunzehnhunderteinunddreißig, kurz nach zwei Uhr morgens.
    Er kam zu spät und wie üblich mit einem frischen Südwind nach einem Platzregen. Die Ersten, die ihn witterten, waren die Hunde auf den Gutshöfen des Vomero und in den Gassen des Hafenviertels; sie streckten die Schnauzen in die Luft und schnupperten, um gleich darauf mit einem Schnaufen wieder einzuschlafen.

    Rituccia schlief nicht, sie tat nur so. Manchmal funktionierte es, und er blieb nur stehen, um sie anzuschauen, bevor er wieder zurück auf den Hängeboden ging. Dann hörte sie das alte Bett knarren, wenn er sich darin umdrehte, und bald darauf sein kratziges Schnarchen; ein fürchterliches Geräusch, das dem Mädchen jedochwunderschön erschien, weil es sie vor dem Grauen bewahrte. Manchmal. Manchmal war es ihr vergönnt zu schlafen.
    Aber heute Nacht hatte der Frühling ans Fenster geklopft und das Blut aufgemischt, dem der billige Wein der Taverne am Ende der Gasse bereits zugesetzt hatte. Sich schlafend zu stellen nützte ihr nichts. Wie jedes Mal, wenn sie die Hände ihres Vaters auf sich spürte, dachte sie an ihre Mutter. Und verfluchte sie dafür, tot zu sein.

    Carmela wimmerte im Schlaf; die Arthritis brannte ihr wie ein glühendes Eisen auf den Knochen. Ihr war nicht kalt, die schwere Decke hielt sie warm und es kam keine Feuchtigkeit von den Wänden. Wäre sie wach gewesen, hätte die Alte mit Stolz die Blumentapete betrachtet, die sie erst vor kurzem hatte anbringen lassen. Sie hätte sich gesagt, dass sie sich mit diesen ganzen Blumen an den Wänden den Frühling
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