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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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solle den Verkehr auf dem Fluss sorgfältig im Auge behalten und den Berichten des Spions, den er in Hathors Stadt schicken würde, eingehende Aufmerksamkeit schenken. »Ob er uns Ärger macht, was meinst du?«, sprach Iasen Kamoses eigene Gedanken laut aus, doch Ahmose antwortete ihm.
    »Nein«, sagte er. »Het-uis Dilemma ist ein moralisches, kein sachliches, und daher ist er hin und her gerissen zwischen seiner Pflicht Apophis gegenüber und der Verpflichtung, die er eingegangen ist, als er den Pinsel auf den Papyrus gesetzt hat. Er wird deswegen schlaflose Nächte haben, aber er wird nichts unternehmen. So geht es einem Menschen, der schnell zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann, jedoch hilflos ist, wenn die Waagschalen gleich hoch stehen.«
    »Er ist ein guter Mensch«, meinte Intef, als sie zu dem großen, fackelerhellten Platz vor der Bootstreppe gelangten und nach links abbogen. Kamose konnte hinter den Fackeln undeutlich die Insel und dahinter die verschwommene Linie des Ostufers ausmachen. Ein guter Mensch, dachte er. Es gibt viele gute Menschen. Wie viele gute Menschen muss ich töten, bis die bessere Sache siegt?
    Eine Welle der Verzweiflung packte ihn, ein Gefühl der Sinnlosigkeit, gegen das er in seiner Müdigkeit nicht mehr ankämpfen konnte. Er beantwortete den Gruß des Schiffsführers und ging die Laufplanke hoch. »Bring uns nach Haus«, befahl er. »Es hat keinen Sinn, die Nacht hier zu verbringen, es sei denn, es ist dem Steuermann zu dunkel.« Der Schiffsführer warf einen Blick zum Himmel.
    »Der Mond ist drei viertel voll«, sagte er, »und wir fahren mit der Strömung, nicht dagegen. Wir können, glaube ich, ablegen, Fürst.« Kamose nickte. Die anderen hatten es sich bereits auf ihren Polstern unter der Lampe gemütlich gemacht, die im Heck hing, und tranken Wein, der ihnen zu ihrer sichtlichen Erleichterung angeboten wurde, während der Koch in taktvoller Entfernung vor seinem Holzkohlenbecken hockte. Ein verlockender Duft von gebratenem Fisch stieg Kamose in die Nase. Ein Bootsmann fing an zu singen, und seine Stimme schwoll auf und ab, während der Schiffsführer dem Mann am Ruder scharfe Befehle zum Ablegen erteilte, die Laufplanke eingeholt wurde und auf das Deck fiel. Die Barke erzitterte unter Kamoses Füßen.
    Er ging zur Kabine, trat ein, ließ den Vorhang hinter sich fallen und stand einen Augenblick in dem stickigen Dunkel. Es gefiel ihm nicht, was er dem Bürgermeister von Pi-Hathor hatte antun müssen, aber das, so dachte er grimmig, ist weiß Gott nicht das Ärgste, was ich in den kommenden Monaten im Namen der Freiheit tun muss. Amun, gib mir Mut zur Skrupellosigkeit, ohne dass ich damit mein Ka gefährde, Weisheit zur Unterscheidung von Freund und Feind, wenn beide im Namen meines geliebten Landes zu mir sprechen! Er ließ sich zu Boden sinken, zog die Knie an, lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Die muntere Unterhaltung seiner Freunde, seiner Verbündeten, drang bis zu ihm und verwob sich mit dem Klirren der Weinkrüge und Becher, den Gesangsfetzen, die der Bootsmann noch immer schmetterte, alles gehörte zur lieblichen Wirklichkeit einer ägyptischen Nacht und erfüllte sein Ka mit einem schmerzlichen Verlangen nach allem, was längst dahin war. Noch nie im Leben hatte er sich so allein gefühlt.
    Kurz nach Mitternacht wies der Kapitän sein Boot in eine kleine Bucht ein, damit sich die Bootsleute ausruhen konnten. Dort blieben sie bis zur Morgendämmerung liegen, und am Spätnachmittag desselben Tages stieß die Barke an die Bootstreppe von Waset, wo die großen Binsenschiffe, die zu beiden Seiten dümpelten, das niedrige, elegante Boot überragten. Kamose schickte Hor-Aha, Ahmose und die Fürsten unverzüglich über den Fluss. »Ich möchte, dass ihr euch die Truppen anseht«, sagte er. »Hor-Aha vertritt mich als Befehlshaber, und er und Ahmose haben die Männer ausgebildet, aber ich hätte gern eure Meinung, ob sie kampfbereit sind. Hor-Aha, lass Baba Abana holen. Er ist ein gestandener Bootsmann und kann uns sagen, wie man die Männer am besten auf die Schiffe verteilt. Er soll die Verantwortung über alle Aktivitäten auf dem Fluss bekommen. Die Zeit ist unser Feind. Wir müssen übermorgen mit unserem Angriff beginnen, komme, was da wolle.« Damit verließ er sie und ging, begleitet von seiner Leibwache, zum Haus, und noch ehe er den Eingang erreicht hatte, kam ihm sein Haushofmeister bereits unter Verbeugungen entgegen. »Benachrichtige meine
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