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Der Frauenkrieg (German Edition)

Der Frauenkrieg (German Edition)

Titel: Der Frauenkrieg (German Edition)
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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umwendend, sagte er: »Geht, Madame, Ihr seht wohl, daß ich zwischen Lenet und dem Herrn Herzog keine Gefahr laufe.«
    »Laßt sie nicht gehen, ohne sie zu küssen,« flüsterte Lenet.
    Kalter Schweiß brach aus Canolles' Stirn; er fühlte es wie einen Nebel vor seinen Augen hinziehen; er hielt Claire zurück, stellte sich, als hätte er ihr einige Worte leise zu sagen, näherte sie seiner Brust und sagte, sich an ihr Ohr bückend: »Bittet ohne Erniedrigung; ich will für Euch leben, aber es muß Euer Wille sein, daß ich geehrt lebe.«
    »Ich werde so bitten, daß ich dich rette,« erwiderte sie; »bist du nicht mein Gatte vor Gott?«
    Und indem er sich zurückzog, fand Canolles ein Mittel, ihren Hals mit seinen Lippen zu berühren, aber mit soviel Vorsicht, daß sie es nicht fühlte, und daß die arme Wahnsinnige sich entfernte, ohne ihm seinen letzten Kuß zurückzugeben. Zn dem Augenblick, wo sie den Hof verließ, wandte sie sich um; aber es hatte sich zwischen ihr und dem Gefangenen eine Hecke von Menschen gebildet.
    »Freund,« sagte sie, »wo bist du? Ich kann dich nicht mehr sehen; ein Wort, noch ein Wort, daß ich den Ton deiner Stimme höre.«
    »Geht, Claire,« rief Canolles, »ich erwarte Euch.«
    »Herr Lenet, lieber Herr Lenet,« rief Claires Stimme in der Ferne, »ich baue auf Euch, Ihr seid mir verantwortlich!«
    Und das Tor schloß sich hinter ihr.
    »Gut,« murmelte der Herzog, »es geht nicht ohne Mühe; aber wir haben doch eine Möglichkeit vor uns.«

Einundzwanzigstes Kapitel.
    Sobald sich das Tor wieder hinter der Vicomtesse geschlossen hatte, zog sich der Kreis der Offiziere enger um Canolles zusammen, und man sah zwei Menschen mit Unglück weissagenden Gesichtern erscheinen, die sich dem Herzog näherten und ihn demütig um seine Befehle fragten.
    Der Herzog begnügte sich, ihnen statt jeder Antwort Canolles zu bezeichnen. Hierauf trat er auf den Gefangenen zu, grüßte ihn mit der ihm eigentümlichen eisigen Höflichkeit und sagte: »Ihr habt Euch ohne Zweifel schon selbst gesagt, daß die Entfernung Eures Unglücksgefährten auf Euch das Schicksal zurückfallen läßt, für das er bestimmt war.«
    »Ja,« antwortete Canolles, »ich vermutete es wenigstens; aber dessen bin ich gewiß, daß die Frau Prinzessin meine Person namentlich begnadigt hat. Ihr konntet soeben meinen Begnadigungsbefehl in den Händen der Frau Vicomtesse von Cambes sehen, wie ich ihn gesehen habe.«
    »Es ist wahr,« sagte der Herzog;» »aber die Frau Prinzessin konnte das, was vorgefallen ist, nicht ahnen.«
    »Also nimmt die Frau Prinzessin ihre Unterschrift zurück?« – »Ja.«
    »Eine Prinzessin von Geblüt bricht ihr Wort!«
    Der Herzog blieb unempfindlich.
    Canolles schaute umher und fragte dann: »Ist der Augenblick gekommen?« – »Ja, mein Herr.«
    »Ich glaubte, man würde die Rückkehr der Frau Vicomtesse von Cambes abwarten; man hat ihr versprochen, es würde nichts in ihrer Abwesenheit vorgehen. Brechen denn heute alle ihr Wort?«
    Und der Gefangene heftete einen vorwurfsvollen Blick nicht auf den Herzog von Larochefoucault, sondern auf Lenet.
    »Ach! Herr,« rief dieser mit Tränen in den Augen, »vergebt uns. Die Frau Prinzessin hat Eure Begnadigung auf das entschiedenste verweigert; daß ich sie darum angefleht habe, dessen ist der Herr Herzog Zeuge und Gott auch. Aber es sollten Repressalien für den Tod des armen Richon genommen werden, und sie war von Stein.«
    »Ich werde sie also nicht mehr sehen!« stammelte Canolles, den die Erschütterung beinahe erstickte. »Als Ihr mich sie zu küssen aufforderte, war es zum letzten Male?«
    Ein Schluchzen, stärker als der Stoizismus, als die Vernunft, als der Stolz, zerriß Lenets Brust; er zog sich zurück und weinte bitterlich.
    Canolles ließ seinen durchdringenden Blick auf all den Menschen umhergehen, die ihn umgaben; er traf nur auf gefühllose, rachgierige Augen, die seine Haltung beobachteten.
    Einen Augenblick wollte ihn das Gefühl übermannen; er fühlte ein Prickeln in den Augen, als sich ihm der Gedanke, alles zusammenfassend, vor die Seele stellte, daß er statt der verheißenen nahen Wonne dem unentrinnbaren kalten Tode entgegengehen sollte.
    Aber sofort besann er sich wieder auf sein besseres Selbst, den ihm angeborenen Mut; sein Gesicht wurde ruhig, als ob jede Erschütterung aus seinem Herzen entflohen wäre; er fuhr mit der Hand durch seine schönen schwarzen Haare, näherte sich mit festen Schritten und einem Lächeln auf den Lippen
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