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Der Fluch von Melaten

Der Fluch von Melaten

Titel: Der Fluch von Melaten
Autoren: Jason Dark
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gelassen hat. Sie waren die Büttel, die Knechte der Kirchenmänner, die zugeschaut und sich daran ergötzt haben. Vergewaltigt und gefoltert. Uns die Ehre genommen, so waren Schmitz, Wienand und auch Höffgen. Sie starben nicht!«, meldete sich die Stimme, in der die Wut deutlich mitschwang, »aber sie bekamen Nachkommen, und auch diese setzten Kinder in die Welt. Und so hat sich die Reihe bis jetzt fortgesetzt, bis zum Tag unserer Rache. Wir haben uns bei ihnen gemeldet. Sie hörten unsere Stimmen, aber sie wussten nichts, gar nichts. Trotz der Warnungen waren sie ahnungslos. Sie hätten sich nur mit der Vergangenheit zu beschäftigen brauchen, dann hätten sie mehr gewusst, aber das haben sie nicht getan. Ihre Vorfahren haben uns gequält, und jetzt sind wir angetreten, um sie zu quälen.«
    Ich kannte diese Logik, denn sie war mir nicht neu. Es war nicht der erste Fluch aus der Vergangenheit, bei dessen Erfüllung ich Zeuge gewesen war, und ich hätte eigentlich darauf kommen können, aber ich fragte mich jetzt, wie diese drei Geisterfrauen ihre Rache durchziehen wollten. Sollten die Männer ebenfalls gefoltert werden? Sollten sie die gleichen Leiden erleben wie Marietta, Sibilla und Hanna?
    Ich fragte direkt und ging noch einen Schritt weiter. »Wird eure Rache so weit gehen, dass ihr sie tötet?«
    »Das könnten wir.«
    »Aber ihr tut es nicht!«
    Sie lachte. Zumindest glaubte ich, dass es ein Lachen war. »Wir werden uns auf eine andere Art und Weise rächen. Wir werden endlich das tun, wofür man uns an den Pranger gestellt, gefoltert und auch verbrannt hat. Wir holen alles nach, verstehst du?«
    Ja, ich verstand, und ich merkte auch, wie in meinem Kopf die Hitze hochstieg und ich das Gefühl hatte, das Gesicht würde allmählich zu brennen beginnen.
    Was man mir da gesagt hatte, war ungeheuerlich. Die drei Hebammen wollten sich also Kinder holen. Babys möglicherweise, um dann mit ihnen das zu machen, was man ihnen vorgeworfen hatte.
    Kinder für den Teufel!
    Ich hatte das Gefühl, in einen Taumel zu geraten. Plötzlich schien sich der gesamte Balkon vor meinen Augen zu drehen und die Gestalt auf dem Geländer verzerrte sich zu einem Schatten.
    Die Stimme blieb mir weg. Ich rang nach Luft und suchte auch nach Worten. Bevor ich nur eines davon aussprechen konnte, stellte mir Marietta die nächste Frage.
    »Hast du es begriffen?«
    »Das habe ich!«
    »Dann weißt du ja, was dieser Stadt bevorsteht!«
    »Nein«, flüsterte ich. »Nein, das werde ich nicht zulassen.« Während ich noch sprach, bewegte ich meinen rechten Arm, um die Hand in die rechte Tasche zu schieben, in der mein Kreuz steckte.
    Aber Marietta hatte aufgepasst. Ihr Lachen erklärte mir, dass sie Bescheid wusste.
    Da hörte ich hinter mir Maria Wienand’s Stimme. Sie und Petra Schlomann hatte ich ganz vergessen, aber sie hatten es vor der Wohnung nicht ausgehalten, und Maria sah ihren Mann auf dem Geländer stehen.
    »Ernst!«, brüllte sie.
    Es dauerte nur die Länge eines Wimpernschlags, bevor Ernst Wienand reagierte. Er schleuderte seinen Körper von der Brüstung weg und fiel acht Stockwerke in die Tiefe...
    »Ernst...!«
    Die Frau schrie wieder. Sie stürzte an mir vorbei nach vorn und hatte dabei ein so großes Tempo drauf, dass man meinen konnte, sie wollte ihrem Mann hinterherspringen. Das Geländer hielt sie auf. Wuchtig prallte sie dagegen. Einige Blumenbänke gerieten ins Schwanken, blieben aber in ihren Halterungen stecken.
    Ich war sehr schnell bei ihr und schlug eine Hand auf ihre Schulter, um sie zurückzuziehen und vor dem Sprung zu bewahren. Das war jedoch nicht mehr nötig, denn Maria Wienand schaute nach unten und versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, wie ihr Mann, falls er noch nicht unten auf dem Pflaster lag, an den erleuchteten Fenstern vorbei in die Tiefe stürzte.
    Das sah sie nicht, und auch mir blieb dieser Anblick verborgen. Sie schrie den Namen ihres Mannes, bis ihre Stimme erstickte und Tränen aus ihren Augen schossen.
    Sie stand dicht vor einem Zusammenbruch. Ich war bei ihr und hielt sie fest. Zugleich schaute ich nach unten. Es war ja nicht so dunkel, durch die Fenster fiel genügend Licht, das sich auch auf dem Boden verteilte.
    Mir fielen die Kronen der Bäume auf. Ich sah die Menschen, die sich unten normal bewegten. Ihnen hätte eigentlich auffallen müssen, was da geschehen war. Wenn ein Mensch aus dieser Höhe zu Boden fällt, war das einfach zu sehen und auch zu hören, denn ein derartiges Geräusch
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