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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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nicht überrascht, Nelly zu sehen. Nach langem Zögern führte sie sie schließlich in den kleinen Salon. Nellys Blick fiel auf ein brandneues Set gepackter Koffer.
    »Sie verreisen, Magraja?«
    Ein Schulterzucken und ein angedeutetes Lächeln.
    »Die Koffer? Die sind voller alter Kleider von Mama, die ich verschenken will. Darf ich Ihnen etwas anbieten, Nelly?«
    Und die alten Klamotten stopfst du in ein Kofferset, das ein halbes Vermögen wert ist?
    »Nein, danke. Ich wollte nur mit Ihnen reden.« Sie nahm auf dem roten Sofa Platz. Magraja setzte sich in einen der Sessel. Sie hatte wieder ihren alten abwesenden Gesichtsausdruck angenommen.
    »Wirklich? Und worüber?«
    »Über die drei Kinder, die Sie von Giacomo Pisu bekommen haben, vor allem über das erste, Severo. Ein äußerst hübscher Junge. Severo Sanmarco.«
    Magraja blieb reglos, nur ihre langen Wimpern zitterten leicht.
    »Wie bitte?«
    »Von Giacomo Pisu, Ihrem Vater, der jedoch nicht Ihr Vater war, sondern der Mann, der Sie als Baby entführt, Ihrer Familie geraubt und Sie jahrelang missbraucht hat. Mit vierzehn haben Sie ein Kind bekommen, das Dottor Sanmarco und seine Frau aufgezogen haben wie ihr eigenes. In den folgenden Jahren haben Sie zwei Mädchen gekriegt, die an Familien in anderen Städten abgegeben wurden. Verkauft. Stehen Sie mit denen in Kontakt wie mit Severo?«
    Magraja setzte sich zurecht und atmete tief durch.
    »Dieses Dreckstück von Mantero. Ich hätte es wissen müssen, ich hätte ...«
    »Sie hat alles gestanden. Alles, was sie wusste. Und den Rest würde ich jetzt gern von Ihnen hören. Mir fehlen einige Glieder in der Kette.« Oder Karten, um die Patience aufzulösen.
    »Und Sie glauben, ich könnte – möchte Ihnen davon erzählen? Das sind äußerst intime Angelegenheiten.«
    Ihr Ton ist flach, ruhig. Diese Frau muss Nerven wie Drahtseile haben. Von wegen fragil.
    »Ich glaube, Sie werden es so oder so tun müssen, wenn wir aufs Präsidium gehen. Irgendwann vor etwa anderthalb Jahren sind Sie zu Signora Mantero gefahren und haben ihr gedroht, alles über den Handel mit Neugeborenen zu verraten, wenn sie Ihnen nicht sagt, wo Ihre eigenen Kinder geblieben sind.«
    »Sie haben einen Sohn und werden mich deshalb gewiss verstehen. Jahrelang hatte ich nicht den Mut, meine Kinder zu suchen. Ich hatte zu große Angst vor Giacomo. Doch eines Tages habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten, ich erinnerte mich noch sehr gut an die Mantero und daran, wo diese Hexe wohnte. Ich hatte damals in ihrem Haus entbunden. Das war ihr Fehler gewesen.« Sie lächelt undurchschaubar.
    »Wessen Fehler?«
    »Verkaufen Sie mich nicht für dumm, Nelly. Giacomos und Attilios. Sie glaubten, ich sei ein seelenloses, gefühlloses Stück Fleisch ohne Mumm. Nur weil ich zu jung und verängstigt war. Sie waren überzeugt, ich würde mich niemals wehren.« Wieder dieses sanfte Lächeln.
    »Doch da haben sie sich geirrt.«
    »Das kommt vor. Wollen Sie wissen, wie die Dinge gelaufen sind? Alle haben sich an mir vergangen. Giacomo, Attilio, Anselmo und Alceo. ›Papa‹, ›Onkelchen‹ und die ›Brüder‹. ›Muttilein‹ und ›Schwesterherz‹ wussten davon und haben so getan, als wäre nichts. Sie haben mich gehasst, als wäre es meine Schuld. Lange habe ich das auch geglaubt, ich hielt mich für schmutzig und verdorben. Wie finden Sie das? Nachdem sie mich meiner Familie entrissen hatten. Aber das«, sie lächelt wieder, »habe ich erst sehr viel später herausgefunden. Diese Entdeckung hat mich aufgerüttelt, und ich habe mich zur Wehr gesetzt.«
    »Wie haben Sie davon erfahren?«
    »Ich habe einen Artikel in einer Zeitschrift gelesen, in dem es um besonders grausame Entführungsfälle ging. Auch von der Entführung und dem Verschwinden der kleinen Annabelle war die Rede. Der Ort und die Umstände wurden beschrieben. Es gab Fotos. Von meinem wirklichen Vater und von meiner Mutter. Von Isabelle, wie sie heute aussieht, mein absolutes Ebenbild. Ich habe eins und eins zusammengezählt und bin aufgewacht.«
    »Und Sie haben beschlossen, sich zu rächen ...« Magraja schüttelt den Kopf.
    »Nein. Nur, meinen Sohn ausfindig zu machen. Die Mädchen interessierten mich nicht.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie und Ihr Sohn den ersten Drohbrief an Giacomo Pisu verfasst haben? Und ihn über Dottor Sanmarco erpresst haben, den Sie seinerseits erpressten? Das Geld ging an Severo und Sie, Magraja, und nicht an den Doktor. Sie hatten sie alle beide in der Hand.
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