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Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Autoren: Janny Wurts
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stürzte, packten ihn grausam fest in ihrer eiligen Mühe, ihn in Bewegung zu halten. Es gelang ihm, sein Gleichgewicht wiederzufinden, bevor der Zauberer die Geduld verlieren und ihn tragen wollte, aber er sollte sich später kaum mehr an den Weg zurück durch die verwinkelten Straßen Ithamons, hinauf in die Sicherheit der oberen Zitadelle erinnern können.
     
    Was Arithon als nächstes bewußt wahrnahm waren die verschlungenen Schnitzereien in dem Doppelbogen der unteren Eingangstore des Kielingturmes. Die Runen schienen verkehrt zu sein, schienen auf dem Kopf zu stehen. Der Blickwinkel verwirrte ihn, bis er schließlich erkannte, daß Asandir ihn doch hatte tragen müssen. Er hatte rasende Kopfschmerzen. Die blendende Helligkeit des magischen Lichtes, das die Schutzbanne des Zauberers gespeist hatte, war fort, nicht mehr notwendig im Schutz der klingenden, unterschwelligen Vibrationen der paravianischen Wards. Friede, so dauerhaft wie der Kern der Erde selbst, umgab die Menschen unter Asandirs Obhut.
    Die Ruhe bot endlich eine Pause dar, doch vermochte sie den Geist nicht zu erleichtern.
    Die beinahe schon vernichtende Gewalt, die der Zauberer zur Abwehr des Angriffs aufgeboten hatte, hatte sich unauslöschlich ins Gedächtnis gegraben.
    Ehrfurcht verblieb.
    Es war eine Sache, die bezähmte Resonanz des Potentials eines Bruderschaftszauberers zu fühlen; eine ganz andere war es, diese Macht unter dem Druck unmittelbaren Handlungsbedarfes wirklich zu erfahren. Die Flammen der Fackeln in ihren Wandhalterungen fielen auf Asandirs Gesicht. Scharf zeichneten sich die Knochen unter der Haut ab, nachdem die Kanalisierung der Mächte durch seinen Geist ihn erschöpft hatte. Daß ein Geist von so weitreichenden Fähigkeiten noch immer gekleidet als Mensch aus Fleisch und Blut über die Erde schreiten sollte, widersprach jeglichem Verständnis. Keine große Tiefe zeigte sich in seinen Zügen, als er den Kopf wandte und sah, daß Arithon wieder bei Bewußtsein war. Nur Schuld spiegelte sich auf seinem Gesicht.
    »Mein Prinz, es tut mir leid.« Dieses Eingeständnis hatte nichts mit dem Konflikt zu tun, der, nur wenige Stunden zuvor, einen Prinzen an ein ungewolltes Schicksal gebunden hatte.
    Entwaffnet, ja beschämt über den Kummer, der sich in Asandirs Worten ausdrückte, mied Arithon dies intime Thema. »Wie konntet Ihr wissen, daß Lysaer und ich Hilfe brauchten?«
    »Ich bekam eine Warnung«, erklärte Asandir. »Die Schutzzauber Eures Schwertes, Alithiel, wurden aktiv und hätten beinahe unsere Kleidertruhe in Flammen gesteckt.« Der Zauberer half Arithon zu einem Stuhl neben dem Herd und warf ihm eine Decke zu, ehe er sich brüsk Dakar zuwandte, um ihm mit Lysaer zu helfen, der noch immer bewußtlos und so bleich wie eine Wachsschnitzerei war.
    Die Wachstube des Kielingturmes war nicht mehr nur ein kahler Raum in einem Gebäude, das inmitten von Ruinen noch gänzlich erhalten war. Der abgenutzte Bretterboden verschwand nun unter den fröhlichen Mustern eines Teppichs aus Narms, den sie in ihrem Wagen vom Althainturm mitgeschleppt hatten. Neben einem geschmiedeten Kerzenständer aus Kupfer lagen Asandirs Bücher auf einem Tisch mit Intarsien aus Ebenholz. Vier Stühle ohne Kissen waren aus einem staubigen Zimmer weiter oben im Turm geborgen worden, und das geschmorte Fleisch in dem Topf über dem Feuer blubberte noch immer, als wäre nichts Besonderes geschehen. Eingehüllt in warme Decken, eine Tasse herben Tees in der Hand, saß Arithon bequem und ruhig auf seinem Stuhl, bereit, die Resonanz der paravianischen Schutzbanne durch seine Wahrnehmung dringen zu lassen. Er sog den Duft des Zedernholzes auf, den die kunstvoll gemusterten Paneele an den Wänden der Wachstube verströmten. Für die Augen eines Magiers sangen die geschnitzten Ranken und Tiere mit einer vibrierenden inneren Resonanz. Was auch immer die paravianischen Künstler getan hatten, es war als wahrhaftige Vision ihrer Arbeit in die Reliefs übergegangen. Sie zu schauen hieß, teilzuhaben an dem reflektierten Echo jenes großen Mysteriums, welches das Land mit Leben erfüllt hatte. Langsam wich die Kälte, die selbst in das innerste Gewebe seines Körpers gedrungen war. In der zurückkehrenden Wärme erschauderte Arithon noch ein letztes Mal. Als hätte ihn diese Bewegung gerufen, erhob sich Asandir an der anderen Seite des Raumes und überließ Dakar die Wache über den s’Ilessid, der in tiefem, vielleicht magischem, Schlaf lag.
    Nur eine Sekunde
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