Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
viele nun zum
Schwert, weil sie glaubten, der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit stünde nahe
bevor. Sie sagten: »Der Messias von Israel steht schon fast vor den Toren, und
er wird uns nicht unvorbereitet antreffen. Er ging fort, damit wir die
Botschaft verkündigen und das Wort verbreiten sollten; aber nun ist er auf der
Straße, die zur Stadt führt, und wir müssen bereit sein, für Zion zu kämpfen.«
    Obgleich ich dem nicht
zustimmte und selbst nicht zum Schwert griff, wollte ich meinen Glaubensbrüdern
nicht das Recht aberkennen, sich zu bewaffnen. Denn es waren die letzten Tage.
Ironischerweise trug Saul nun ein Schwert bei sich, denn er hatte Berichte über
Aufstände in ganz Galiläa und Syrien gehört. Von Dan bis Beerscheba begannen
Juden sich gegen die Unterdrückung durch Rom aufzulehnen.
    Bis spät in die Nacht saßen
wir von den Armen in unseren Häusern beim Abendmahl zusammen und horchten auf
die Trompeten, welche die Ankunft des Messias verkünden würden. Und in diesen
Nächten beobachtete ich Sara, die ihre Arme um Jonathan geschlungen hatte und
mit gesenktem Haupt ins Gebet vertieft war, und ich freute mich, daß sie so
gläubig war.
    Im Frühling des folgenden
Jahres schändete Prokurator Gessius Florus den Tempelschatz. Von da an hatten
wir keine Stunde Frieden mehr.
    Judy starrte auf die
unregelmäßige Handschrift im Übersetzungsheft und konnte sich nicht erinnern,
sie gelesen zu haben. Ben war den ganzen Abend, bis spät in die Nacht hinein
damit beschäftigt gewesen, das aramäische Schriftstück zu entziffern, und Judy
hatte jedes Wort gelesen, sowie er es niedergeschrieben hatte. Doch nun, da es
keinen Papyrus mehr zu lesen gab und die letzte Zeile übersetzt war, kam es ihr
vor, als sähe sie das Notizpapier zum erstenmal. Auch Ben schien verwirrt auf
das zu starren, was er gerade geschrieben hatte. Er hielt den Bleistift noch
immer über dem Blatt, und seine Hand wartete darauf, mehr zu schreiben. Doch
das sechste Teilstück war jäh zu Ende gegangen und ließ sie beide ratlos
zurück. Es verging eine Weile, bevor sie aus ihrer Starre erwachten, und es war
Judy, die sich als erste regte. Plötzlich wurde sie sich starker
Rückenschmerzen bewußt und bemerkte, wie verspannt ihr Körper war, und so
befreite sie sich langsam aus der Haltung, in der sie so lange ausgeharrt
hatte, und schaute auf die Uhr.
    Es war kurz nach Mitternacht,
und sie starrte mehrere Minuten auf das erleuchtete Zifferblatt, bevor ihr
eigentlich klar wurde, was sie sah.
    »Mein Gott«, murmelte sie und
beugte ihre steifen Glieder, »wir haben hier acht Stunden lang gesessen!« Dann
blickte sie auf Ben. Er war noch immer über das letzte Foto gebeugt. Den
Bleistift hielt er über dem Heft, und seine Augen waren auf die letzte Zeile
der aramäischen Schrift geheftet. Ein leichter Schweiß war auf seiner Stirn
ausgebrochen und rieselte ihm nun an den Schläfen hinunter auf den Hals. Sein
Hemd war naßgeschwitzt, und seine Haut zeigte eine ungewöhnliche Blässe.
    »Ben«, sagte Judy ruhig,
»Ben, es ist vorbei. Das war das Ende der Rolle.«
    Als er nicht antwortete, nahm
sie ihm sachte den Bleistift aus den Fingern und ergriff seine Hand. »Ben?
Kannst du mich hören?« Schließlich wandte er den Kopf und sah ihr ins Gesicht.
Seine braunen Augen wirkten jetzt noch dunkler, da er gänzlich erweiterte
Pupillen hatte. Sein Blick war völlig leer und teilnahmslos. Winzige Tränen
spiegelten sich darin.
    »Ben, du bist erschöpft. Wir
haben acht Stunden hier am Schreibtisch verbracht, und sieh dich nur an. Du
mußt dich hinlegen.« Ben löste sich langsam aus seiner Betäubung, schluckte
heftig und fuhr sich mit einer trockenen Zunge über die Lippen. »Ich hatte
vergessen«, begann er heiser, »ich hatte vergessen, wie es damals war. Ich
hatte vergessen, wie schlimm diese Tage waren.«
    »Ja, das waren sie. Komm mit,
Ben.«
    Obwohl er imstande war,
aufzustehen, mußte er sich doch auf Judy stützen. Sie legte einen Arm um seine
Hüfte und schleppte sich mühsam mit ihm ins Wohnzimmer, während sie die
feuchtkalte Klebrigkeit seines Körpers spürte. Dort brachte sie ihn durch gutes
Zureden dazu, sich auf der Couch auszustrecken und den Kopf auf ein Kissen zu
legen. Dann setzte sie sich neben ihn, sah ihm ins Gesicht und wischte ihm
behutsam den Schweiß von der Stirn. »Es bleibt nur noch eine Rolle übrig«,
flüsterte sie, »nur noch eine einzige. Und dann ist alles vorbei.«
    Ben schloß die Augen, und die
Tränen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher