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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage
Autoren: Lemony Snicket
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anheimelnderer Geruch füllte den leeren Raum.
    » B wie Brot«, sagte ich, und es schmeckte köstlich.
    Als ich den Knopf mit dem A drückte, tat sich zunächst überhaupt nichts, und einen Moment dachte ich schon: Ausfall. Aber dann ertönte direkt über mir ein furchtbares Scharren, als würde das ganze Gebäude von einem Kran hochgehoben, und ich wich nach der Seite aus, als ein Teil der Decke in einem scharfen, akkuraten Winkel herunterklappte und vor meinen Füßen eine Treppe ablud.
    » Ausziehtreppe«, sagte ich. Da oben waren Pakete sicher gut aufgehoben. Die Musik aus dem Pianola versicherte mir, dass es keinen Grund zur Besorgnis gab, aber ich erklomm die Stufen trotzdem mit einem bangen Ziehen in meinem brotgefüllten Bauch. Ich hatte genug von bösen Überraschungen in fremder Umgebung. Aber der Dachboden des Gatto Nero Caffè war nur ein weiterer schlauchartiger Raum mit niemandem darin. An der Wand standen ein paar Schränke und ansonsten Regale voller Kaffeepackungen . Auf einem langen Tisch lagen Briefumschläge und Päckchen, in Stapeln sortiert, als würden sich gar nicht so wenige Leute ihre Post an die Adresse vom Gatto Nero Caffè schicken lassen statt nach Hause. Aber warum?, fragte ich mich. Allzu viele Päckchen waren es nicht. Ich sah eine kleine Kiste mit dem Aufdruck Sanitätsartikel, der Empfänger ein Dr. Flammarion. Dann war da eine lange Röhre, auf der Elektrobedarf stand, mit nur einem Paar Initialen als Anschrift, die mir nichts sagten. Und als Letztes ein Päckchen von der Größe einer Milchflasche, in Zeitung gewickelt und in einer Handschrift adressiert, die ich sofort erkannte.
    Ich packte es vorsichtig aus. Es war die Bordunbestie. Sie wirkte nicht sehr froh, aus ihrem Versteck geholt zu werden, aber ich war froh, sie zu sehen. Alles auf der Welt, dachte ich bei mir, jedes einzelne Ding, Snicket, hat seinen Platz, und diese Statue hat ihren Platz jetzt bei dir.
    Die Sonne sank schon, als ich wieder auf die Straße trat, und die Statue unter meinem Arm schien unheilverkündend zu brummen. Sie brummte natürlich nicht richtig, aber es machte mich nervös, etwas bei mir zu haben, hinter dem alle her waren, wenn ich es auch noch so sorgfältig wieder verpackt hatte. Ich dachte an die Fernostsuite mit ihrem Mangel an Ve rs tecken und ging statt ins Hotel erst einmal am Weißen Torso vorbei und weiter zu einem Ort, der schon so viele Geheimnisse barg, dass es auf eins mehr auch nicht ankam.
    » Willkommen«, sagte Dashiell Qwertz, als ich die Bibliothek betrat. » Wie ich sehe, hast du immer noch dasselbe Päcklein zu tragen wie heute Morgen.«
    » So könnte man meinen«, erwiderte ich.
    » Kommst du wegen deiner Buchbestellungen in der Fourier-Filiale?«, fragte er mit dem gleichen leeren Gesichtsausdruck wie immer. » Da habe ich nämlich noch nichts gehört.«
    » Ich wollte mir nur was zum Lesen suchen«, sagte ich.
    Daraufhin lächelte Qwertz und machte eine ausladende Geste mit der Hand und dem Ärmel seiner Lederjacke. » Fühl dich wie zu Hause«, sagte er, und das tat ich. Ich war noch keine zwei Tage in Schwarz-aus-dem-Meer, und schon jetzt hatte ich hier mehr Zeit verbracht als in dem armseligen Zimmer, das ich mit Theodora teilte. Obwohl er verschnittene Haare und einen leeren Gesichtsausdruck hatte, war mir die Gesellschaft meines Unter-Bibliothekars lieber als die meiner Mentorin. Und der Anblick der Regalreihen, wenngleich ebenso menschenleer wie die Straßen, durch die ich hergekommen war, munterte mich mehr auf als sonst irgendetwas in Schwarz-aus-dem-Meer. Ich fühlte mich zu Hause, weshalb es mir auch verzeihlich erschien, für ein Weilchen etwas in den Regalen zu verstecken. Ich sah mich nach einem möglichst dicken, möglichst langweilig aussehenden Buch um und entschied mich schließlich für eins mit dem wissenschaftlichen Titel An Analysis of Brown, Black and Beige – wenigstens einen Tag, so hoffte ich, würde sich niemand näher mit den Farben Braun, Schwarz oder Beige befassen wollen. Ich wickelte die Statue aus, zog den Band aus dem Regal und schob die Bordunbestie ganz nach hinten durch, ehe ich das Buch wieder an seinen Platz stellte.
    Jetzt brauchte ich nur noch etwas, was ich in mein Zeitungspapier einschlagen konnte. Qwertz hatte mein Päckchen bemerkt, und es würde ihm auffallen, wenn ich ohne Päckchen wieder ging. Ein dickes Buch oder vielleicht auch drei mitteldicke würden einen guten Ersatz abgeben, und ich wusste gleich, welche drei Bücher
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