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Der Fliegenpalast

Der Fliegenpalast

Titel: Der Fliegenpalast
Autoren: Residenz
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dem
Grandhotel
war jetzt im unteren Bereich völlig kahl. Der steile Waldweg im Norden lag offen da; das Wandern zum Kreuzköpfl hinauf war, der Sonne dermaßen ausgesetzt, sicherlich beschwerlich.

MEIN GUTES
Engerl, der Portier hat mir gerade den dicken Packen mit all der Post überreicht, den Du mir nachgeschickt hast. Ich sitz im Lesesaal mit ein paar Zeitungen und warte, bis ich mich in den Speisesaal begeben kann. Dein Telegramm haben sie gestern beim Abendessen auf meinen Platz gelegt … Ich hab mich riesig gefreut, daß Ihr wohl und vergnügt seid. Wenn es sogar hier heroben so heiß ist wie heute und die Bremsen stechen und die Leute rund um den Schwimmteich liegen, so denk ich an Euch, daß Ihr in Altaussee auch am Strand liegt und schwimmt …
    In Lenzerheide war’s sehr schön, der gute Carl rührend um mich besorgt – wie ein Irrenwärter, kam mir einmal in den Sinn … Meine Karten von dort wirst Du inzwischen bekommen haben. Verzeih, daß ich zu einem Brief nicht fähig war. In ganz Graubünden ist im Juli jede Dachkammer seit Monaten vorausbestellt. Dort möchte man Wirt sein! Die Saison dauert acht Wochen, dann haben sie genug verdient und reisen nach Paris oder nach Cannes. Sie haben mir als Schreibzimmer noch eine Dachkammer ausgeräumt, einen Tisch und einen großen Fauteuil hineingestellt und einen hübschen Teppich aus ihrer eigenen Wohnung gebracht. Immerfort fragten sie, ob das Essen mir zusagt – kurz, solche Wirtsleute gibt’s bei uns nicht. Das Stubenmädchen ist sehr hübsch und hat gute Manieren. Und im Gang draußen gibt’s ein Bügelkammerl, da hat eine Glätterin alle Staubflecken aus meinem grauen Anzug herausgeputzt
.
    Seltsam, daß ich mit Dir nie in die Fusch heraufgekommen bin. Wahrscheinlich wollte ich es – in Erinnerung an meine eigenen Kindertage hier heroben – den Kindern nicht antun. Auch hätte Dir der gewohnte Komfort gefehlt
.
    Mit welcher Freude denke ich immer wieder an unsere schöne Italienreise im Mai, besonders an Syrakus. Ich hab Dir nicht gesagt, was ich mir beim Arethusa-Brunnen vorgestellt hab: Mir jetzt hier ein Zimmer mieten und den ganzen Sommer bleiben und am
Timon
arbeiten. Du hättest mir halt meine Mappen und alles, was ich sonst brauch, hinschicken müssen …
    Wie der Isepp bei dem Tempel von Segesta gesagt hat: Findet ihr nicht auch, daß er aus der Entfernung, wie wir herauf gewandert sind, schöner ausgesehen hat? Graziös. Und jetzt diese massigen, monumentalen Säulen … Wie er uns erinnert hat an das zierliche Modell des ionischen Tempels im Museum in Palermo …
    Ja, die Nähe, hatte er in Segesta gedacht. Und: Welcher Gott sollte denn hier wesen? Es ist doch alles über unserem Vorstellungsvermögen, jedenfalls über jedes Menschenmaß hinaus, und hatte sich umgesehen, wo die Gerty blieb …
    Heute aber hab ich daran gedacht, den Aufenthalt hier in der Fusch demnächst abzubrechen und zu Euch nach Aussee zu kommen. Ein Telegramm hab ich überlegt dir zu schicken, ob die Zimmer in unserem Häusl noch alle belegt sind …
    Nein, dachte er, das kann ich ihr nicht antun. Endlich einmal sind alle drei Kinder beisammen; der Raimund fährt ohnehin in zehn Tagen nach Berlin. Solang muß ich halt jetzt aushalten hier. Ein, zwei Tage, damit er die Buben noch sah, würde er auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer in der Hütte schlafen …
    Obwohl der Carl geraten hatte abzuwarten, es brauche halt seine Zeit, bis der Organismus sich an die Seehöhe von Lenzerheide gewöhnt habe, hatte er schließlich ein Telegramm ans
Grandhotel
in Bad Fusch geschickt.
    Halb neun, er schaltete die Tischlampe ein. Ich muß, fiel ihm ein, der Gerty schreiben, daß sie auch hier in den Hotels das elektrische Licht eingeleitet haben. Daß das schmiedeeiserne Gitter in der Kirche meistens verschlossen ist, weil im letzten Jahr eine barocke Marienstatue gestohlen wurde. Und daß die Spazierwege von früher teilweise von Gras oder Gesträuch überwuchert sind. Dafür haben sie den Weg zum Schwimmteich verbreitert, und jenen zur Adolphinenquelle.
    Er zog das Brillenetui aus der Rocktasche und öffnete die Schreibmappe. Etwas mußte er ja doch getan haben in Lenzerheide, überlegte er, als er das Tintenglas gegen die Lampe hielt. Er musste es schräg halten, damit seine Feder Tinte aufnehmen konnte. Er hatte vor der Abreise in seinem Wiener Papiergeschäft keine Pelikan-Tinte bekommen können. Die Bleistifte … Er hatte sich dort schon öfter beschwert, daß die Qualität
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