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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Autoren: Peter Merten
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Eldersche Anwesen war eines der wenigen im Flachen Land, die über fließendes Wasser im Haus verfügten. Auf der anderen Seite standen zwei alte Schaukelstühle mit geflochtenen Rückenlehnen, die unablässig knarrten, wenn man darin saß. Die Küche besaß eine dritte Tür. Sie führte zu den Schlafräumen seiner Eltern und Großeltern.
    „Alep“, sagte Mutter fragend, als er eintrat, „wie möchtest du deine Eier?“
    „Keine Eier heute, danke Mutter.“
    Gegenüber von Velde Elders saß Aleps Großmutter Maliche - Familienvorstand und älteste lebende Elders im Flachen Land am Bitterfluss. Sie verrührte gerade Honig in ihrem Tee. Dabei ließ sie den kleinen Löffel so schnell kreisen, dass er heftig gegen die Innenwand der Porzellantasse schlug. Das gleichmäßige Klappern bohrte sich unangenehm in Aleps Ohren. Zu Großmutters Linken saß alt und grau Großvater Dieron Elders. Neben ihm hockte schmollend die kleine Rina mit angezogenen Knien, auf die sie ihr Kinn stützte. Sie war die Jüngste in der Familie.
    „Großmutter, ich muss mit dir sprechen“, sagte Alep, als er sich rechts von seiner Großmutter neben seinen Bruder an die Längsseite des Tisches setzte.
    „Was ist das, Junge?“, fragte Vater Elders, „kein ‘Guten Morgen’ wie sich’s gehört?“
    „Oh, ja. Natürlich. Guten Morgen, also!“
    „Rina hat heute Nacht von einem wilden Mann geträumt, nicht wahr?“, erklärte Mutter Elders, ohne sich umzudrehen.
    „Ja, hab ich“, erklärte Rina, die noch immer ein wenig schmollte. „Er war klein, der Mann, wie ein Zwerg. Und braun war er. Er hatte eine ganz lange Nase und seine Ohren waren lang und so spitz wie die von Kater Minno. Und dann hat er Alep aufgeweckt und mit ihm gestritten. Aber Alep hat ihn verprügelt, bis er eine Beule am Kopf hatte, und dann ist er ganz schnell weggelaufen.“
    „Wann hast du das geträumt?“, fragte Alep.
    „Na, heute Nacht, nachdem der Hahn mich aufgeweckt hat“, war ihre Antwort.
    „Aber das kann doch gar nicht sein, unser Hahn hat heute Nacht nicht gekräht“, erklärte Mutter Elders, die gerade ein drittes Ei in die Pfanne schlug.
    „Und heute Morgen auch nicht“, fügte Velde Elders mit vollem Mund hinzu, „Seltsam!“
    „Doch, hat er wohl“, behauptete Rina mit Nachdruck und nickte heftig.
    Alep sagte nichts. Er versuchte, den Traum seiner Schwester mit den nächtlichen Erlebnissen in Einklang zu bringen. Es war offensichtlich, dass beide Ereignisse in irgendeiner Form zusammenhingen. Leider konnte Alep nicht sagen, wie. Verwirrt schüttelte er den Kopf.
    „Geht es dir gut?“, wollte Oma Elders wissen. Alep sah seine Großmutter an.
    Oma Elders war eine kleine, fast zierliche Person von nahezu sechzig Jahren. Langes, fast weißes Haar fiel ihr auf die schmächtigen Schultern Sie regierte den Hof und die Familie mit Klugheit und Umsicht. Die Elders lebten von dem, was sie anbauten. Der jährliche Überschuss wurde auf dem Markt in Bitterquell verkauft oder gegen andere Erzeugnisse eingetauscht. Klein und sehr dünn wirkte Oma Elders. Auf den ersten Blick schien sie zerbrechlich und jeder, der sie sah, fühlte sich aufgefordert, Hilfe anzubieten. In Wirklichkeit steckte Oma Elders voller Energie. Sie betrachtete Alep und ihre grauen Augen funkelten dabei.
    Als er noch ein Kind gewesen war und das Privileg genoss, auf ihrem Schoß zu sitzen, hatte er in den großen grauen Augen seiner Großmutter feine goldene Pünktchen entdeckt. Auf seine Frage, was das sei, hatte sie ihm geantwortet, das wären die Funken des Sternenfeuers, das jeder sehen könne, wenn ein Stern in der Nacht vom Himmel fällt. „Oh“, hatte Alep gesagt, war von ihrem Schoß gesprungen und hinausgelaufen. Tage später kam er zu ihr und fragte: „Wie sind die Funken in deine Augen gekommen?“
    „Von allein natürlich.“
    „Waren das Funken wie bei einem Feuer?“
    „Ja, so ähnlich wie bei einem Feuer.“
    „Das hat dir sicher wehgetan“, schlussfolgerte Alep, und stieg wieder auf ihren Schoß.
    Alep war von seinen Großeltern erzogen worden. Damals, als er geboren worden war, waren die Zeiten schwer und hart gewesen. Vater und Mutter Elders verließen früh morgens das Haus und kehrten erst in der hereinbrechenden Nacht von ihrer Arbeit zurück. Bak nahmen sie mit, aber Alep war zu dieser Zeit noch zu jung. Als dann endlich bessere Zeiten für die Elders kamen, war es zu spät, für eine Vater-Sohn Beziehung, wie sie zwischen Bak und Vater Elders
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