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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward
Autoren: H. P. Lovecraft
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Neuengland alles andere als unbekannt. Es stellte sich heraus, daß Joseph Curwen als junger Mann viel gereist war, eine Zeitlang in England gelebt und mindestens zwei Reisen in den Orient unternommen hatte; seine Sprache—wenn er sich dazu herabließ, sie zu gebrauchen - war die eines gebildeten und kultivierten Engländers. Doch aus irgendwelchen Gründen legte Curwen keinen Wert auf gesellschaftlichen Umgang. Obwohl er nie einen Besucher wirklich abwies, umgab er sich immer mit einer solchen Mauer der Zurückhaltung, daß nur wenige ihm etwas zu sagen gewußt hätten, was nicht albern geklungen hätte. Sein Verhalten schien auf fast unmerkliche Weise von einer kryptischen, zynischen Arroganz bestimmt zu sein, so als sei er durch den Umgang mit eigenartigeren und mächtigeren Wesen zu dem Schluß gekommen, daß alle menschlichen Wesen langweilig seien. Als der für seinen Scharfsinn und seine Schlagfertigkeit berühmte Dr. Checkley im Jahre 1783 aus Boston kam, um Pfarrherr der King's Church zu werden, versäumte er nicht, den Mann aufzusuchen, von dem er so viel gehört hatte; aber er ging schon bald wieder, weil er in den Äußerungen seines Gastgebers einen unheimlichen Unterton wahrgenommen hatte. Charles Ward sagte einmal zu seinem Vater, als die beiden sich an einem Winterabend über Curwen unterhielten, er würde zu gerne erfahren, was der geheimnisvolle alte Mann zu dem geistsprühenden Kleriker gesagt habe, aber alle Tagebuchschreiber stimmten darin überein, daß Dr. Checkley sich geweigert habe, irgend etwas von dem, was er gehört hatte, zu wiederholen. Der gute Mann hatte einen argen Schock erlitten und konnte fortan nicht an Joseph Curwen denken, ohne sogleich in auffälliger Weise jene fröhliche Urbanität einzubüßen, für die er berühmt war.
    Konkreter war dagegen der Grund, weshalb ein anderer Mann von Bildung und Geschmack den hochmütigen Einsiedler mied. Im Jahre 1764 kam Mr. John Merritt, ein ältlicher englischer Gentleman mit literarischen und wissenschaftlichen Neigungen von Newport in die Stadt, die sich immer schneller zu der bedeutenderen von beiden entwickelte, und baute sich einen stattlichen Landsitz am Neck, wo heute das Zentrum der besten Wohngegend liegt. Er lebte stilvoll und komfortabel, hielt sich als erster in der Stadt eine Kutsche und livrierte Diener und war ungemein stolz auf sein Teleskop, sein Mikroskop und seine gutsortierte Bibliothek englischer und lateinischer Werke. Da ihm zu Ohren gekommen war, Curwen besäße die beste Bibliothek in Providence, stattete Mr. Merritt ihm bald einen Besuch ab und wurde mit größerer Herzlichkeit empfangen als die meisten anderen Besucher des Hauses. Seine Bewunderung für die stattlichen Bücherregale seines Gastgebers, die neben den griechischen, lateinischen und englischen Klassikern mit einer bemerkenswerten Batterie philosophischer, mathematischer und wissenschaftlicher Werke bestückt waren, darunter Paracelsus, Agricola, Van Helmont, Sylvius. Glauber, Boyie, Boerhaave, Becher und Stahl, bewog Curwen, einen Besuch auf seinem Bauernhof mit dem Laboratorium vorzuschlagen, wohin er noch nie jemand anderen eingeladen hatte; und die beiden fuhren auf der Stelle in Merritts Kutsche hinaus.
    Mr. Merritt hat stets betont, er habe zwar in dem Bauernhaus nichts im eigentlichen Sinne Schreckliches gesehen, aber die Titel der Bücher der Spezialbibliothek über thaumaturgische, alchimische und theologische Themen, die Curwen in einem Vorzimmer untergebracht hatte, hätten schon allein ausgereicht, ihn mit einem bleibenden Grauen zu erfüllen. Vielleicht habe aber auch der Gesichtsausdruck des Besitzers während der Vorführung viel zu diesem Vorurteil beigetragen. Diese bizarre Sammlung umfaßte neben einer langen Reihe von Standardwerken, um die Mr. Merritt seinen Gastgeber trotz seiner Beunruhigung beneidete, nahezu alle der Menschheit bekannten Kabbalisten, Dämonologen und Magier und stellte einen wahren Wissensschatz auf den zweifelhaften Gebieten der Alchimie und Astrologie dar. Hermes Trismegistus in Mesnards Ausgabe, die Turba Philosophorum, Gebers Über Investigationis und Artephous' Stein der Weisheit: — keines dieser Werke fehlte; und dicht neben ihnen standen der kabbalistische Zohar, Peter Jamms mehrbändige Ausgabe des Albertus Magnus, Raymond Lullys Ars Magna et Ultimo in Zetsners Ausgabe, Roger Bacons Thesaurus Chemicus, Fludds Clavis Alchimiae und Trithemius' De Lapide Philosophico. Mittelalterliche Juden und Araber
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