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Der Fänger

Der Fänger

Titel: Der Fänger
Autoren: Jason Dark
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ein Skalpell!
    Genau das hielt der Arzt in der Hand. So klinisch sauber, so rein, aber auch tödlich, wenn es entsprechend eingesetzt wurde. Ein kurzer Schnitt, und es war vorbei.
    »Siehst du es?«, flüsterte er.
    Raissa konnte nicht mehr sprechen. Die Stimme war weg, der Hals war zugeknotet. Sie versuchte, etwas zu sagen, doch nur ein Röcheln brachte sie fertig.
    Todesangst!
    Genau das war es, das in ihr hochstieg. Ein derartiges Gefühl hatte sie bisher nicht gekannt. Jetzt sah sie alles anders. Ihr Blick wurde unnatürlich klar, sie konnte förmlich spüren, wie das Blut durch ihre Adern gepumpt wurde. Sie sah das scharfe Skalpell, dahinter das Gesicht des verdammten Arztes – und sie erkannte die Gier in den Augen...
    Töten!
    »Hast du noch einen Wunsch?«, fragte er. »Soll ich jemand eine Nachricht zukommen lassen? Ich bin ja gar nicht so. Ich erfülle dir gern deine letzten Wünsche, meine Liebe.«
    Sie sagte nichts. Es war nicht mehr möglich. Tränen rannen ihre Wangen herab. Ihr ganzer Körper zog sich zusammen, er schien laut zu schreien und...
    Den Schrei gab es wirklich!
    Schlagartig veränderte sich die Szenerie. Die Mordwaffe – schon auf dem Weg zur Kehle – stoppte plötzlich.
    Erneut hallte ein Schrei durch den Operationssaal. Nein, es handelte sich um artikulierte Worte, die nur laut ausgesprochen worden waren. Raissa sah, dass sich der Arzt von ihr wegdrehte und in die Höhe stemmte.
    Gnadenfrist...
    Sie rang nach Luft. Es schmerzte, als sie einatmete, doch das war ihr egal. Sie musste erst begreifen, dass sie noch lebte. Alles andere war ihr jetzt egal.
    Leider konnte sie nicht genau sehen, was vor ihr passierte. Dafür war ihr Blickwinkel einfach zu schlecht. Aber sie hatte mitbekommen, dass ein weiterer Mann erschienen war. Dr. Banacek und der Fremde standen sich gegenüber, und ihr Tonfall klang nicht, als wären sie Freunde.
    »Verdammt, warum störst du mich?«, fauchte der Arzt.
    »Nicht ohne Grund.«
    »Dann sag ihn, Igor!«
    »Sie sind mir auf der Spur«, erklärte Sartow, den Raissa jetzt an der Stimme erkannte. »Ich denke, dass wir vorsichtig sein sollten, und wollte dich...«
    »Wer verfolgt dich?«
    »Die Bullen.«
    »Na und?«
    »Sie sind verdammt nahe.«
    Banacek fing an zu lachen. »Hat dich das je gestört? Damit bist du immer fertig geworden. Bullen sind lächerlich. Sie sind doch keine Gegner für dich.«
    »In diesem Fall schon. Es sind zwei Jäger. Man darf sie nicht unterschätzen. Dieser Sinclair ist ein Hammer.«
    »Ach – John Sinclair?«
    »Genau. Du kennst ihn?«
    Boris Banacek nickte. »Ja, verdammt, ich kenne ihn. Das heißt, ich habe von ihm gehört. Auch ich halte meine Augen und Ohren offen. Was können wir tun?«
    »Ich wollte dich nur warnen.«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Und darum kommst du hierher? Verdammt! Was habe ich mit ihm zu tun? Gar nichts, mein Lieber. Du bist das Verbindungsglied, denn du hast die Mädchen geholt.«
    »Das stimmt.«
    »Na bitte, dann brauche ich...«
    Der Fänger schüttelte den Kopf. »Es kann durchaus sein, dass sie eine Spur zu dir gefunden haben. Verstehst du das? Er weiß unter Umständen Bescheid.«
    Banacek trat einen Schritt zurück. »Hast du ihnen von meiner Klinik erzählt?«
    »Nein. Wie käme ich dazu?«
    »Dann wissen sie nichts!«
    »Unterschätze sie nicht, Doc!«, beharrte Sartow. »Zum ersten Mal bin ich ihnen im Westhouse begegnet. Wer weiß, was dieses Miststück Edna Turner ihnen erzählt hat.«
    Der Dialog wurde sehr heftig geführt und auch mit recht lauten Stimmen. Raissa, die zuerst nicht begriffen hatte, was geschehen war, wurde aus ihrem lethargischen Zustand gerissen. Ihr Unterbewusstsein sorgte für einen Hoffnungsschimmer, der vielleicht mehr als nur ein kurzer Aufschub war. Sie schaffte es sogar, den Kopf ein wenig anzugeben, sodass sich ihr Blickwinkel veränderte. Die beiden Männer blieben nicht auf der Stelle stehen, als sie sprachen. Sie bewegten sich, und die Hektik war einfach nicht zu übersehen.
    »Okay, Igor, du hast mir alles gesagt«, sagte Banacek. »Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
    »Aufpassen.«
    »Abbrechen?«, fuhr der Arzt auf. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Nein, aber...«
    »Wir müssen damit rechnen, dass die beiden Typen plötzlich hier auftauchen«, erklärte Sartow. »Man darf sie nicht unterschätzen.«
    »Gut, gut!« Dr. Banacek ging hin und her. »Wie ich dich kenne, hast du dir bestimmt etwas ausgedacht. Ich bin der
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