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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cay Rademacher
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einen Altmetallhändler verhökert. Nur das Skelett da drüben hat ihnen Beine gemacht. Sie haben es mit der Angst bekommen und uns gerufen.«
    »Schon gut«, erwidert der Kripo-Mann ungehalten. Kein Grund, den Frauen Vorwürfe zu machen. Er erspart sich die Frage, ob der Oberwachtmeister denn nicht genauso gehandelt hätte.
    »Ist übrigens nicht der einzige Schatz in diesem Trümmerhaufen«, sagt der Schupo leichthin und deutet auf eine Stelle etwa einen Meter von der Bronze entfernt.
    Stave geht hinüber und stößt einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie haben den Expertenblick!«, ruft er und meint das nur halb ironisch.
    Drei Fragmente einer Gestalt, eine Frau vielleicht, auch wenn die Nase abgeschlagen und die Wangen aufgescheuert sind und die Fragmente des Oberkörpers wie ein grober Block wirken, sodass er das nicht sicher erkennen kann. Im ersten Augenblick glaubt Stave, eine Art ägyptische Götterskulptur vor sich zu haben, so archaisch wirkt die Form. Hellgrauer Stein, denkt er, doch als er das erste Fragment hochhebt, fühlt sich das Material seltsam vertraut an. »Die ist aus Beton«, murmelt er. Welcher Künstler würde damit arbeiten? Muss ziemlich modern sein.
    Nun wühlt er sich systematisch durch den Schutt. Zweimal glaubt er, etwas gefunden zu haben, doch beide Male sind es bloß die silbrig glänzenden Endstücke britischer Stabbrandbomben. Die armlangen, schmalen Waffen sahen harmlos aus, fast wie etwas zu groß geratene Feuerwerkskörper. Zu Tausenden waren sie aus den Flugzeugen herabgeregnet, hatten die Dachpfannen durchschlagen und in den Speichern Phosphorfeuer entzündet, die gelb und rot brannten – flackernde Blumen, die in der verdunkelten Stadt erblühten. Die schweren Bombenendstücke aus Metall hatten am Morgen nach einem Fliegerangriff im Asphalt der Straßen gesteckt und waren von den überlebenden Kindern aus der teerigen Masse gezogen worden.
    Nach einer halben Stunde, der durchnässte Schupo wirft ihm immer verdrießlicher werdende Blicke zu, birgt Stave am Rand der Grube noch etwas: die untere Hälfte eines Männerkopfes aus schwarz glasierter Keramik. Die Nase, die Augen, die Haare fehlen, die gezackte Bruchkante ist scharf. Ihn erinnert das an einen eingeschlagenen Schädel, den er als junger Kripo-Beamter bei einem seiner ersten Fälle sehen musste. Sosehr er auch sucht, kann er die obere Hälfte, oder auch nur Fragmente davon, nicht entdecken. Stattdessen gräbt er schließlich noch einige Münzen aus: 1- und 2-Mark-Stücke, Reichsmark aus den dreißiger Jahren, die Oberseiten angeschmolzen. Das Feuer der Brandnacht, denkt er.
    »Die Kunstwerke lagen nicht im Keller«, sagt er schließlich zu Ramdohr, als er mühsam aus der Grube steigt. »Wäre alles auf sie draufgestürzt, wären sie noch sehr viel stärker beschädigt worden.« Er deutet auf die Münzen. »Die müssen oben aufbewahrt worden sein, im Dachstuhl oder in einer der höchsten Etagen. Dort hat eine Brandbombe gewütet. Aber die Objekte lagen nicht dort. Die Bronze ist nicht zerschmolzen, der Beton nicht angeschwärzt. Diese Sachen befanden sich mindestens ein, zwei Etagen darunter. Das Feuer oben und vielleicht auch Sprengbomben haben das Kontorhaus so beschädigt, dass schließlich alle Etagen in die Tiefe bis auf den Keller gestürzt sind und diesen eingedrückt haben.«
    »Wie ein Stapel Teller, der einem aus den Fingern gleitet«, antwortet Ramdohr. »Beng-beng-beng, die Teller knallen nacheinander auf den Boden, und dann hat man ein großes Durcheinander.«
    »Sie sprechen aus Erfahrung?«
    »Ich habe zwei linke Hände, klagt meine Frau immer.«
    Gut, dass Schupos keine Pistolen tragen dürfen, sagt sich Stave. »Der Reimershof wurde im Sommer 1943 getroffen«, fährt er fort. »Es ist also Kunst aus dieser Zeit oder den Jahren davor.« Kein Versteck eines Hehlers, kein Depot eines Schwarzhändlers, die gerne in Ruinen ihre geheimen Lager einrichten. Aber nicht in diesem Schutt und nicht diese Ware, denkt der Kripo-Beamte. Also eigentlich kein Fall für das Chefamt S, denn was hat das mit dem Schwarzmarkt zu tun? Aber wenn der Schwarzmarkt kollabiert, dann nimmt man, was kommt.
    »Sieht nicht sehr wertvoll aus, wenn Sie mich fragen«, sagt der Oberwachtmeister abschätzig.
    »Dann werde ich Sie nicht fragen.« Stave kommen Anna und die Reichsmarkbündel in den Sinn, die sie für manche ihrer Ruinenfunde bekommt. Staatsanwalt Ehrlich, der seine von den Nazis geraubte Vorkriegskunstsammlung um jeden Preis
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