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Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
Autoren: Alex Capus
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Bruchstücken in den unberechenbarsten Formen zerfetzt.
    Also kehrten die Männer zurück ins Labor, legten die Kugeln beiseite und entwarfen röhrenförmige Bomben in der Hoffnung, so die Gegenläufigkeit der Druckwellen um eine Dimension zu verringern.
    Um achtzehn Uhr heulten die Sirenen zum Feierabend, dann gingen alle nach Hause. Abends traf man sich zu Cocktails im Speisesaal der ehemaligen Knabenschule. Die meisten Bewohner von Los Alamos waren als Akademiker das gesellige Leben einer Universitätsstadt gewohnt; da es in der Wüste New Mexicos kaum Unterhaltung gab, organisierten sie auf eigene Faust Konzerte, Film- und Theateraufführungen und Tanzabende in endloser Folge, hin und wieder auch tänzerische Gastvorstellungen von Indianern, die tagsüber als Heizer, Handwerker oder Dienstboten für die Wissenschaftler arbeiteten. Einmal führte eine Gruppe theaterbegeisterter Physiker »Arsen und Spitzenhäubchen« auf, wobei Oppenheimer die erste Leiche in der Truhe spielte und Edward Teller die zweite. Gegen Mitternacht ging man auf dunklen, unbeleuchteten Schotterstraßen nach Hause. Wenn der Mond schien, warfen die Pinien schwarze Schatten.
    Nachts wurde es still in Los Alamos, alles schlief im Schutz des Stacheldrahtverhaus, der die Siedlung in weitem Kreis umfasste. Vor dem Stacheldraht patrouillierten schweigsame Soldaten, in der Ferne heulten Schakale. Ab und zu fiel ein Schuss. In solchen Nächten lag Felix Bloch lange wach und wunderte sich, dass er nun wie ein Schulbub in abgelegenen Schluchten kleine Bomben zündete. Erstaunt stellte er fest, dass er, der doch im Leben unbedingt etwas Friedfertiges und kriegstechnisch ganz und gar Unnützes hatte machen wollen, nun doch hinter Stacheldraht angelangt war. Und manchmal fragte er sich, wen dieser Stacheldraht eigentlich schützte – Los Alamos vor der Welt, oder die Welt vor Los Alamos.
    Auch sein Nachbar Edward Teller war oft spätabends noch wach. Er hatte die Angewohnheit, zu nachtschlafender Zeit auf dem Steinway-Flügel zu spielen, den seine Frau in einem Hotel ersteigert und auf unbekannten Wegen aus Chicago herbeigeschafft hatte. Er war ein virtuoser und leidenschaftlicher Pianist, im Herbst 1943 spielte er ausdauernd Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nummer 12. Die Klänge drangen durch die dünnen Wände hinaus in die nächtliche Stille und waren in der Ebene weithin zu hören bis zu den Hügeln und hinein in die dunklen Canyons, wo die alten, verlassenen Pueblos der Indianer ruhten.

Dreizehntes Kapitel

    Als Laura d’Oriano am 12. Oktober 1941 in die freie Zone zurückkehrte, fuhr sie auf direktem Weg nach Nizza und suchte Kommissar Cotoni in dessen Büro auf, das sich vor dem Bahnhof an der Avenue Georges Clemenceau befand. Verwundert nahm sie zur Kenntnis, dass der kleine Korse aufstand und salutierte, als sie sein Büro betrat, und dass er ihr auf die Schulter klopfte wie einem Soldaten, der sich im Kampf durch Tapferkeit ausgezeichnet hat.
    Die Surveillance du Territoire ist mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden, sagte er und überreichte ihr einen Umschlag mit siebentausend Francs. General de Gaulle lässt Ihnen seinen persönlichen Dank ausrichten.
    Ich habe zu danken, sagte Laura und steckte den Umschlag ein.
    Ich darf Sie bitten, in nächster Zeit die Stadt nicht zu verlassen. Es könnte sein, dass wir bald eine neue Aufgabe für Sie haben.
    Sie nickte und wandte sich zum Gehen, aber Cotoni hielt sie am Ellbogen fest.
    Sagen Sie, Laura, geht es Ihnen gut?
    Aber ja, danke der Nachfrage.
    Sie werden mich indiskret finden, sagte er. Aber Sie haben diesen gewissen Ausdruck im Gesicht, den ich von meiner Frau kenne.
    Genau, sagte Laura. Das wird es sein.
    Ja, sagte Cotoni. Nur dass meine Frau diesen Ausdruck nicht immer hat. Sie hingegen haben ihn schon bei unserem letzten Treffen gehabt. Und beim vorletzten auch, wenn ich mich recht erinnere.
    Was soll man machen, sagte Laura. Das Los einer Frau.
    Wie lange schon?
    Ein Jahr, vielleicht anderthalb. Laura zuckte mit den Schultern. Mal stärker, mal schwächer.
    Dann ziehen Sie Ihren Mantel aus und setzen Sie sich hin, sagte Cotoni und griff zum Telefonhörer. So etwas muss man beheben. In diesem Zustand kann ich Sie nicht gebrauchen.
    Am 19. Oktober fuhr er Laura mit seinem Dienstwagen ins Hospital der Heiligen Jungfrau von Orléans, tags darauf wurde sie operiert. Welcher Art genau ihr Leiden war, ist nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Aber wenige Wochen später sagte sie im Verhör, man habe
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