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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht
Autoren: Helene Tursten
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seinem Schnuller, dass das schmatzende Geräusch im ganzen Zimmer zu hören war.
    Irene erzählte den Eheleuten Fenton, was Kjell Bengtsson Ceder zugestoßen war. Tove schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Ihr Mann wurde bleich. Er wirkte schockiert.
    »Großer Gott! Ermordet!«, sagte er bestürzt.
    »Ist Ihnen vielleicht etwas bekannt, was darauf hindeuten könnte, dass Ceder bedroht wurde?«, fragte Tommy.
    »Nein, obwohl in der Restaurantbranche gelegentlich raue Sitten herrschen sollen«, meinte Morgan Fenton.
    Tove nahm die Hände von ihrem roten, verweinten Gesicht und sah Tommy anklagend an.
    »Deswegen haben Sie so viel nach Sanna gefragt! Sie glauben, dass sie es war! Aber sie hat es nicht getan! Sie konnte nicht …! Sie war bei mir!«, kreischte sie hysterisch.
    Beschützend legte ihr ihr Mann einen Arm um die Schultern und versuchte gleichzeitig, seinen kleinen Sohn zu beruhigen, der zusammen mit seiner Mutter zu weinen begonnen hatte.
    Aus den Augenwinkeln sah Irene eine Bewegung in der Türöffnung. Ein Gesicht, das rasch wieder verschwand. Hastig stand sie auf und eilte hinter dem Schatten her. Als sie in die Küche schaute, bemerkte sie, wie eine Tür am anderen Ende vorsichtig geschlossen wurde. Jemand wollte Aufmerksamkeit vermeiden. Mit ein paar raschen Schritten war sie an der Tür und klopfte an. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte sie die Klinke und trat ein.
    Christopher Fenton war fast so groß wie sie und für sein Alter ungewöhnlich muskulös. Wenn erst einmal die Akne aus seinem Gesicht verschwunden wäre, war er vermutlich ein ungewöhnlich gut aussehender junger Mann. Vielleicht würde er dann auch keine ausgebeulten Hosen und Fubu-T-Shirts mehr tragen, sondern Kleider, die passten.
    »Hallo. Ich heiße Irene Huss und bin Kriminalinspektorin. Mein Kollege und ich sind mit der Aufklärung eines schweren Verbrechens befasst.«
    Der Junge stand unbeweglich vor ihr und schaute sie abwartend an. Da Irene Teenager gewohnt war, sowohl ihre eigenen Kinder als auch die anderer Leute, ließ sie sich davon nicht aus der Fassung bringen, sondern fuhr fort: »Die Ermittlungen haben gerade begonnen, und wir benötigen Zeugenaussagen, die den fraglichen Zeitraum betreffen. Wir müssen Alibis überprüfen und all so was. Reine Routine. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn du uns ein paar Fragen beantworten könntest.«
    Seine abweisende Haltung begann sich abzuschwächen. Sie wurde von purer, unverhohlener Neugier ersetzt. Das funktionierte meist. Der Polizistenjargon hatte auf Menschen jedweden Alters schon immer eine unwiderstehliche Faszination ausgeübt.
    Irene verschaffte sich einen raschen Überblick über das unordentliche Zimmer. Das Bett war nicht gemacht. Auf dem überfüllten Schreibtisch stand ein Computer, umgeben von einer Menge leerer Chipstüten. Es war nicht leicht, sich in dem Zimmer zu bewegen, ohne auf irgendein Kleidungsstück, einen Comic, eine CD oder Müll zu treten. An den Wänden hingen Poster, Eishockeystars und Hip-Hop-Gruppen, sowie Fotos einer fast nackten Britney Spears. Das ganze Zimmer hatte die Aura eines Fünfzehnjährigen in der schlimmsten Phase der Pubertät.
    Mehr des Effekts wegen zog Irene ihr kleines Notizbuch und einen Bleistift mit abgebrochener Spitze hervor. Dass die Spitze abgebrochen war, spielte keine Rolle, sie hatte ohnehin nicht vor, etwas aufzuschreiben. In freundlichem, aber dienstlichem Ton fragte sie: »Wann bist du gestern nach Hause gekommen?«
    Er zuckte leicht mit den Achseln.
    »Weiß nicht.«
    »Wann glaubst du?«
    »Vielleicht so um halb fünf.«
    »War Sanna Kaegler-Ceder bereits da, als du nach Hause gekommen bist?«
    »Ja. Ihr Schlitten ist megageil.«
    Einen Augenblick vergaß er, cool zu sein.
    »Ja. Das ist wirklich ein ungewöhnliches Auto.«
    »Die CLK-Klasse kann man in Schweden gar nicht kaufen. Man muss sie aus den USA importieren lassen oder so«, informierte sie Christopher.
    »Wirklich? Dann muss sie viel Geld haben …«
    »Ihr Alter hat Kohle.«
    Irene tat so, als würde sie etwas auf ihren Block schreiben, und fragte dann weiter: »Warst du den Rest des Abends zu Hause? Ich meine, hier im Haus?«
    »Ja.«
    »Warst du mit Tove und Sanna zusammen?«
    Sie merkte, dass die Frage falsch formuliert war, denn er zuckte zusammen und schaute sie wütend an: »Was glauben Sie denn? Ich war nie mit einer der beiden zusammen!«
    Er sah zutiefst beleidigt aus.
    »Nein. Natürlich nicht. Ich wollte nur wissen, ob du
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