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Der erschoepfte Mensch

Der erschoepfte Mensch

Titel: Der erschoepfte Mensch
Autoren: Rotraud A. Perner
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Phlegmatismus: Wir sind dann resigniert oder es ist uns alles egal geworden.
    Um aus dieser körperlichen wie auch seelisch-geistigen Verengung in den Zustand der Entspannung und sogar der Weite zu gelangen, hilft körperlich Durchatmen, Aufrichten und Lächeln. Seelisch-geistig hilft Lachen.
    »Humor gibt es dort, wo die Menschen ihr Haupt aufrecht tragen, was immer auch geschehen mag«, weiß auch der Journalist Alexander von Schönburg. »Ein fairer Gewinner zu sein ist nicht so schwer, gute Verlierer aber, die mit Gelassenheit, aufrechter Haltung und im Idealfall sogar mit einer Prise Humor ihren Untergang hinnehmen, sind selten.« 213 Ich ergänze: und mit Würde!
    Haltung – Körper- wie Geisteshaltung – ist Folge unserer Stimmung, und diese kann wieder »eingestimmt« werden. Wenn darin das Wort »Stimme« enthalten ist, deutet das auf die Macht unseres Atems hin, der, durch unseren Stimmapparat gepresst und moduliert, nicht nur unsere Befindlichkeit ausdrückt, sondern in Rückkoppelung auch verstärkt oder vermindert. Wir sind gleichsam unser eigenes Musikinstrument und unsere Zuhörerschaft zugleich.
    In seinem Buch »Der lachende Christus« schreibt der Theologe, Philosoph und mit kirchlichem Funktionsverbot belegte römisch-katholische Priester Adolf Holl über die kirchenlehramtliche »unglaubliche Vertauschung gottseliger Wunschlosigkeit mit dienstknechtlicher Mühsal«: »Eine gewisse Musikalität ist dem Erlöser jedenfalls nicht abzusprechen. Hin und wieder gelangen seine Inspirationen, wie im Fall der amerikanischen Negersklaven, als stark rhythmisierte Lautwerdung an seine Gemeinde, die dann zu singen und zu tanzen beginnt, begleitet von Trommeln und Blasinstrumenten. Hallelujah!« 214 Auch im Lachen wird Lösung, Erlösung laut, denn man öffnet sich dabei – und dann kann Kreativität entstehen und Energie fließen.
    Haltung ist Folge
unserer Stimmung, und diese kann
wieder »eingestimmt« werden.

8 . Auf der Suche nach Heilung
    Der Rabbi von Kotzk soll einer Gruppe sehr gelehrter Männer
folgende Frage gestellt haben: »Wo wohnt Gott?«
Sie lachten über diese Frage und sagten: »Was für eine Frage!
Steht nicht geschrieben: Die ganze Welt ist voll von seiner Herrlichkeit?«
Doch hatte der Rabbi eine andere Antwort. Er antwortete sich selbst:
»Gott wohnt, wo der Mensch ihn einlässt.«
M. Fox 215
    Wer juristisch, d. h. in Gegensatzpaaren – legal oder illegal, richtig oder falsch, Sieger oder Verlierer – denkt, spielt sich als Richter auf, setzt sich gleichsam in eine erhöhte Position und nimmt für sich das Recht in Anspruch, zu verdammen oder zu erlösen. Diese Vorgangsweise hat Tradition.
    Sie entspricht der konventionellen Ethik oder Moral, bei der eine übergeordnete Autorität – ein Priesterrat, eine gesetzgebende Körperschaft, ein geistlicher oder weltlicher Primas, festlegt, was rechtens sein soll. Meist entspricht das den Vorteilen, die seine Herkunftsgruppe sich wie auch immer angeeignet hat und nicht verlieren will.
    In der gesellschaftlichen Entwicklung des Ethikverständnisses folgt auf die konventionelle die sogenannte postkonventionale Ethik, in der nicht mehr den von außen festgelegten Richtlinien unbedingter Gehorsam geleistet wird, sondern dem eigenen Gewissen. Dazu ist es notwendig, mehr als eine oder zwei Lösungsmöglichkeiten andenken zu können, und dies erfordert zusätzlich weitgehende Angstfreiheit.
    »Wer Angst hat, nimmt weniger präzise wahr, und das auch noch selektiv«, erklärt Barbara Knab in ihrer »Gebrauchsanweisung für das Gedächtnis«. 216 Eingeschworene Dualisten werden Angst mit Aggression kompensieren: Anstatt sich furchtsam zurückzunehmen, den Atem anzuhalten und Bewegung zu minimalisieren, werden sie losstürmen, sich aufblähen und ihren Kraftkörper präsentieren – in der Hoffnung, dass die anderen flüchten.
    Wer mediatorisch denken gelernt hat, sieht – egal, um welche Problematiken es sich handelt – mehr als nur zwei Lösungsmöglichkeiten. Kraftverlust wird nicht durch Aktivierung letzter – aggressiver oder sexueller – Kraftreserven ins Gleichgewicht gebracht. Und auch nicht durch die sogenannte Work-Life-Balance. Die war der Bücher-Hit 2003; außerdem lässt sie sich wieder wunderbar in Zeitmanagement-Seminaren und Erfolgs-Trainings vermarkten.
ENERGIEVERLUST AUSGLEICHEN
    Wolfgang Mazal, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, kritisiert diese Wortschöpfung, weil er keinen Gegensatz zwischen
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