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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser
Autoren: Jo Nesb�
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der vor ihm in der Tür stand. Es roch nach Essen, und im Hintergrund war das Klirren von Besteck zu hören. Ein Familienmensch. Ein Vater. Bis zu diesem Augenblick. Der Mann kratzte sich am Unterarm und hatte seinen Blick auf einen Punkt etwas oberhalb von Harry geheftet, als stehe da irgendjemand. Das Kratzen machte ein unangenehmes schabendes Geräusch.
    Jetzt hatte das Klirren des Bestecks aufgehört. Stattdessen hörte man vorsichtige Schritte, und dann legte sich von hinten eine kleine Hand auf die Schulter des Mannes. Eine Frau mit großen, ängstlichen Augen erschien:
    »Was ist los, Birger? «
    »Dieser Polizist will uns etwas mitteilen«, sagte Birger tonlos. »Was ist denn los?«, fragte die Frau und sah Harry an. »Geht es um unseren Jungen? Wo ist Per? «
    »Ja, Frau Holmen«, sagte Harry und sah die Angst in ihre Augen steigen. Wieder einmal suchte er vergebens nach den richtigen Worten. »Wir haben ihn vor zwei Stunden gefunden. Ihr Sohn ist tot. «
    Er musste ihrem Blick ausweichen.
    »Aber er … er … Wo ? « Ihr Blick huschte von Harry zu ihrem Mann, der immer weiter an seinem Arm kratzte und kratzte.
    Gleich fängt er an zu bluten, dachte Harry und räusperte sich. »In einem Container in Bjørvika. Es war so, wie wir befürchtet hatten. Er war schon eine ganze Weile tot. «
    Es schien so, als würde Birger Holmen plötzlich das Gleichgewicht verlieren, er taumelte nach hinten in den hell erleuchteten Flur und musste sich an einem Garderobenständer festhalten. Die Frau trat in die Türöffnung, und Harry sah, wie der Mann hinter ihr in die Knie ging.
    Harry hielt die Luft an und schob die Hand unter seinen Mantel.Das Metall des Flachmanns schmiegte sich eiskalt an seine Fingerkuppen. Er fand den Umschlag und zog ihn heraus. Obwohl er den Brief nicht gelesen hatte, wusste er nur zu gut, was darin stand. Die offizielle Todesmeldung, kurz und sachlich, ohne ein überflüssiges Wort. Der Tod als bürokratischer Vorgang.
    »Es tut mir leid, aber ich habe den Auftrag, Ihnen das hier zu geben.«
     
    *
     
    »Was haben Sie für einen Auftrag?«, fragte der kleine Mann. Er war mittleren Alters und hatte die übertrieben mondäne französische Aussprache, die nicht die Oberklasse kennzeichnet, sondern diejenigen, die gerne dazugehören würden. Der Besucher betrachtete ihn. Alles stimmte mit dem Bild im Briefumschlag überein, sogar der geizige Schlipsknoten und die schlaff herabhängende rote Hausjacke.
    Er wusste nicht, was dieser Mann falsch gemacht hatte. Er hatte sicher niemand ein körperliches Leid zugefügt, denn trotz des irritierten Gesichtsausdrucks war die Körpersprache defensiv, beinahe ängstlich, und das sogar hier, in der Tür zu seiner eigenen Wohnung. Hatte er Geld gestohlen? Etwas unterschlagen? Er sah so aus, als könnte er mit Zahlen arbeiten. Aber es handelte sich nicht um große Beträge. Trotz seiner hübschen Frau machte er eher den Eindruck, als reiße er sich nur hie und da Kleinigkeiten unter den Nagel. Vielleicht war er untreu, hatte mit der Frau des falschen Mannes geschlafen? Nein. Kleinwüchsige Männer mit durchschnittlichem Vermögen und einer Ehefrau, die deutlich attraktiver ist als sie selbst, sind in der Regel eher von dem Gedanken besessen, dass die Frau ihnen untreu ist. Der Mann nervte ihn. Aber vielleicht war es ja genau das. Vielleicht hatte er bloß jemand genervt. Er schob seine Hand in die Tasche.
    »Mein Auftrag ist«, sagte er und legte den Lauf einer Llama MiniMax, die er für nur dreihundert Dollar gekauft hatte, auf die gestraffte Messingkette, »… das hier.«
    Er zielte über den Schalldämpfer. Ein schlichtes Metallrohr, einfach in das Gewinde des Laufes geschraubt, das er sich in Zagreb bei einem Schmied hatte schneiden lassen. Der schwarze Klebestreifen, mit dem der Übergang umwickelt war, sollte ihn luftdicht abschließen.Natürlich hätte er auch einen sogenannten Qualitätsschalldämpfer für mehr als hundert Euro kaufen können, aber wozu? Weder der eine noch der andere vermochte wirklich das Geräusch einer Kugel zu schlucken, die die Schallmauer durchbrach, des warmen Gases, das plötzlich in die kalte Luft austrat, oder der mechanischen Metallteile der Pistole, die aufeinanderschlugen. Nur in Hollywood gab es Pistolen mit Schalldämpfern, die wie Popcorn unter einem Deckel klangen.
    Der Schuss kam wie ein Peitschenknall, und er presste sein Gesicht in den schmalen Türspalt.
    Der Mann von dem Foto war verschwunden, er war lautlos nach
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