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Der Engel Schwieg.

Der Engel Schwieg.

Titel: Der Engel Schwieg.
Autoren: Heinrich Böll
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Mannes zu verfü- gen. Die enge Verzahnung der entsprechenden Kapitel läßt wohl die weiterreichende Schlußfolgerung zu, daß die gesamte Fi- scher-Handlung, in der Themen und Ideen des Dialogkapitels episch umgesetzt erscheinen, erst einer späteren Konzeptions- phase angehört.
    Thematik und Motivik sowohl des ursprünglichen Dialogs als auch der später geschriebenen Erzählpartien sind ganz offen- sichtlich inspiriert durch die Lektüre von Werken Leon Bloys. Nachweisbar gelesen hat Böll im November 1949, also in direk-
    tem Zusammenhang mit der Arbeit am Roman, Bloys streitbare
    Schrift Das Blut des Armen sowie dessen Tagebuch Der un- dankbare Bettler. Der Einfluß des ›Mystikers der Armut‹, nach dessen Überzeugung »die Freude des Reichen als Substanz den Schmerz des Armen hat«, dokumentiert sich in der Anklage gegen die Wohlhabenden, die sich Christen nennen, in der Ver- wendung des Bettler-Motivs und – besonders signifikant – in der motivlichen Verknüpfung von ›Blut‹ und ›Geld‹. Als »verdünn- ten, verfeinerten Geruch von Blut« identifiziert Dr. Fischer den Dunst, der ihm aus seinem Safe entgegenkommt (Kap. XII). Im Blick hat Böll dabei unverkennbar die zentrale mystische Formel Bloys: »Das Blut des Armen ist das Geld«; und die vorgeschal- tete Szene, in der die mittellose Regina Unger zur Bestreitung ihres Existenzminimums Blut für die Tochter des ›Geldfischers‹ spendet, ist wohl als Versuch zu werten, das Blut-Geld-Motiv auch auf der konkreten Handlungsebene zu etablieren. Beein- druckt und inspiriert haben dürfte Böll überdies die kritische Zeichnung der ›weltlichen Priester‹, die Kontrastierung von vornehmen ›Salonprälaten‹ und armen ›Landpfarrern‹ in den Schriften Bloys, die mit ihrem antikapitalistischen Lob der Ar- mut und der Kritik an der Verbürgerlichung des kirchlichen Lebens schon vor dem Krieg eine starke Anziehung auf ihn ausgeübt hatten und deren Lektüre er 1952 im Essay Jenseits der Literatur als großen Trost bezeichnen wird »angesichts der mun- ter sich restaurierenden Gesellschaft besitzender und besitzver- teidigender Christen«.
    Anregungen gewinnt Böll nicht nur durch die Bloy-Lektüre, sondern auch durch die Heranziehung einer eigenen Prosaarbeit mit dem Titel Verlorenes Paradies, die Anfang Mai 1949 in Angriff genommen, Ende desselben Monats jedoch aufgegeben und als Fragment hinterlassen wurde. In dieser Heimkehrerge- schichte enthaltene Reflexionen des Ich-Erzählers über eine defekte Dachrinne, die alle Unbilden der Zeit überstanden hat, werden im Engel Regina Unger zugewiesen (Kap. XIV); und die Erinnerung Hans Schnitzlers an das einzige nächtliche Beisam- mensein mit seiner inzwischen verstorbenen Frau, also die später
    unter dem Titel Die Liebesnacht publizierte Romanepisode
    (Kap. V), basiert auf einer der Rückwendungen des Erzählfrag- ments, einer wehmütigen Reminiszenz an vergangenes Liebes- glück.
    Die nach wie vor prekäre wirtschaftliche Lage der eigenen Familie ermöglicht es Böll auch in der ersten Jahreshälfte 1950 nicht, das Romanprojekt kontinuierlich zu fördern. Vielmehr ist er genötigt, sich zur Aufstockung des Familienetats um zusätzli- che Einnahmen zu bemühen, d.h. neue Texte zu schreiben und zur Veröffentlichung anzubieten. Im Mai entstehen die Kurzge- schichte Aschermittwoch sowie eine kurze Erzählung mit dem Arbeitstitel Der General, die Böll im August 1950 anläßlich der ersten größeren Tagung der ›Gruppe junger Autoren‹ in Kassel vorliest, die aber erst im August 1951 unter dem Titel Durch- bruch bei Roßapfel erscheint. Im Juni beteiligt er sich an einem Kurzgeschichten-Wettbewerb der Zeitung ›Die Welt‹, mit der eigens für diesen Zweck geschriebenen Beichtgeschichte Das Abenteuer, die Motivparallelen zu den später konzipierten Parti- en des Engel-Romans aufweist. Anfang desselben Monats ist es ihm gelungen, eine Beschäftigung als Aushilfsangestellter beim Statistischen Amt der Stadt Köln zu finden, was zwar dazu bei- trägt, die finanzielle Bedrängnis zu lindern, zugleich aber auch die literarische Arbeit hemmt. Hatte er dem Verlag Anfang Mai optimistisch gemeldet, er sei sich über den Verlauf der Roman- handlung nun »vollkommen klar« und schaffe den Abschluß wohl »bis August«, so wirbt er nun um Verständnis für eine Terminverzögerung: »Die Arbeitszeit beträgt 48 Stunden, die ich zunächst erfreut hinnehme, da natürlich die Bezahlung entspre- chend sein wird,
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