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Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel
Autoren: Ueberreuter
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hatte sie eingeholt.
    Ruang grinste und fuhr sich durch das dunkleStoppelhaar. Es war ein breites, jungenhaftes Grinsen, und Ricarda fragte sich, warum sie Ruang zu Anfang streng und einschüchternd gefunden hatte. Wahrscheinlich, weil sie selbst sich so mickrig gefühlt hatte. »Gestern war im Fernsehen die Ziehung der Lotterie«, erzählte ihr Chef. »Das Los von Tao hat gewonnen. Habt ihr nicht gehört, wie wir gestern gefeiert haben? Ich hoffe, die Musik war nicht zu laut!« Er blickte entschuldigend drein. »Ihr wart leider schon weg, sonst hättet ihr mitfeiern können, okay! Schließlich war das Los ein Geschenk von euch.«
    »Unverzeihlich, so laute Musik«, behauptete Ricarda, und dann sahen sie und Sofia sich an und lachten los, lachten vor Begeisterung, vor Erleichterung. Das waren ja tolle Neuigkeiten! Wer hätte gedacht, dass der Ausflug nach Chiang Mai solche Folgen haben würde.
    »Aber hat Tao nicht vielleicht andere Pläne, was er mit dem Geld machen will?«, wandte Sofia ein. »Habt ihr schon mit ihm gesprochen?«
    »Ja, wir haben mit ihm telefoniert und überlegt, ob wir das Geld dem Tempel spenden sollen, für noch mehr tham bun , gutes Karma. Aber Tao will, dass wir einen Elefanten kaufen, der Hilfe braucht.«
    Plötzlich wusste Ricarda, was sie tun musste. Und sie ahnte, dass es Nuans einzige Chance war. »Phra Chan wird einen neuen Mahout brauchen, oder?«, platzte sie heraus. »Der alte Mann wird ihn nicht begleiten, oder?«
    »So ist es.« Ruang verstand sofort, worauf sie hinauswollte. Betrachtete Nuan aus dem Augenwinkel. Und hatte auf einmal so einen nachdenklichen Blick.
    So kam es, dass Nuan doch noch einen Tag länger blieb. Ricarda hatte ihm nicht viel verraten. Nur dass er unbedingt noch einen Freund von ihr kennenlernen sollte. Sie wollte ihm keine zu großen Hoffnungen machen, sonst wäre die Enttäuschung, wenn es doch nicht klappte – falls er und Phra Chan sich nicht verstanden –, noch schwerer zu ertragen.

    Es war ein sonniger Tag und von den meisten Bewohnern des Bergdorfes war kaum einer zu sehen. Ein paar Hühner pickten und scharrten im Sand herum. Die Sonne knallte auf sie herab, als sie aus dem Lastwagen stiegen, den Ruang sich für diesen Zweck geliehen hatte. Die Ladefläche war groß und stabil genug, um einen Elefanten darauf zu transportieren.
    Sie waren zu dritt. Ruang, Nuan und Ricarda.
    Nuan stieg aus dem Führerhaus, streckte sich, blickte sich verständnislos um. »Hier wohnt ein Freund von dir?«
    »Ja«, sagte Ricarda und nahm ihn an der Hand. »Komm mit.«
    »Ist er Thai oder Farang ?«
    Ricarda musste lächeln. »Ach, ich glaube, Thai. Aber vielleicht hat er das letzte Mal, als ich ihn besucht habe, ein paar Worte Deutsch gelernt.«
    Phra Chan stand noch am selben Platz, und jetztkonnte man schon erkennen, was er einmal gewesen war und mit etwas Glück wieder sein würde: ein kräftiger junger Bulle mit hochgewölbtem Kopf und langen Wimpern. Als er die Menschen sah, wandte er sich ihnen zu und blickte ihnen entgegen. Doch schnell ließ er den Kopf erschöpft wieder sinken, als ziehe das Gewicht seiner gekappten Stoßzähne ihn hinab.
    Ricarda schickte ihm einen lautlosen Gruß. Ich habe versprochen, dass ich wiederkomme. Hier bin ich. Und ich habe jemanden mitgebracht.
    Nuan blieb stehen. Einen Moment lang stand er ganz still, den Blick auf Phra Chan geheftet. Dann ging er langsam auf den jungen Elefanten zu.
    Ricarda blieb zurück und hielt sich im Hintergrund. Sie wollte die beiden nicht stören. Auch Ruang stand abseits, beobachtete nur.
    Nuan streckte die Hand aus, und eine Rüsselspitze hob sich ihm entgegen, tastend und schnüffelnd. Geduldig ließ Nuan sich erkunden, kam noch einen Schritt näher heran und ließ seine Hand über Phra Chans runzelige Stirn gleiten. Ganz sanft und behutsam. Der Elefant schlang den Rüssel um Nuans Arm und stieß ein Schnauben aus, das fast wie ein Seufzer klang. Einen Moment lang standen sie so, ganz nah neben einander, ohne sich zu bewegen. Nuan sprach leise in Thai, und Phra Chan antwortete mit einem tiefen, rumpelnden Geräusch.
    So als sei es ganz selbstverständlich, kniete Nuannieder und löste die Kette um Phra Chans Fuß. Dann wandte er sich zu ihnen um und straffte die Schultern. In seinen dunklen Augen stand wieder so etwas wie Stolz, wie Zuversicht. »Wir sind bereit. Um nach Hause zu fahren.«
    »Na, dann nichts wie los, okay?«, sagte Ruang lächelnd und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum
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