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Der Elefanten-Tempel

Der Elefanten-Tempel

Titel: Der Elefanten-Tempel
Autoren: Ueberreuter
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Fahrer.
    Ächzend wuchteten Ricarda und Sofia ihre Taschen und Koffer in den Zug und ließen sich in die Liegesitze fallen, die sie reserviert hatten.
    »Gott sei Dank, richtig bequem!« Sofia ließ ihre Arme schlaff herunterhängen. »Aber eigentlich auch egal, ich schlafe sowieso gleich ein. Weck mich, wenn wir in Chiang Mai sind.«
    »Nee, du weckst mich «, stöhnte Ricarda, wälzte sich in ihrem Sitz auf die Seite und zog ihre Jacke über sich.
    Mit einem leichten Ruck setzte sich der Zug in Bewegung.

    Ein junger Thai mit ebenmäßigem Gesicht, einer ultracoolen schwarzen Sonnenbrille und eng anliegendem T-Shirt holte sie in Chiang Mai ab, um sie zu ihrem endgültigen Ziel in der kleinen Stadt Lampang zu bringen.
    » Sawat-dii khrap «, begrüßte er sie mit einem schüchternen Lächeln. »Mein Name ist Kaeo.«
    Fasziniert starrte Ricarda auf seinen Hals. Kaeotrug gleich sieben Ketten mit verschiedenen Anhängern; jedes Mal, wenn er sich bewegte, klapperte es. Vielleicht hatte er Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, oder er mochte das Gefühl, einen halben Eisenwarenladen um den Hals zu haben.
    Sein roter Toyota roch staubig und ein wenig nach Hund. Ricarda quetschte sich auf die Rückbank und kickte ein paar Plastik-Colaflaschen weg, die um ihre Füße rollten. Sofia machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem.
    »Arbeitest du auch im Refuge? Was machst du da? Bist du ein Mahout ?« Sofia begann sofort damit, Kaeo zu löchern.
    »Ja, ich bin Sohn von Ruang, kümmere mich um die Elefanten mit ihm. Viel, viel Arbeit!« Sein Englisch klang lustig; die Wörter stimmten zwar, aber ihre Melodie war die einer asiatischen Sprache. Außerdem redete er wie die anderen Thais, denen sie bisher begegnet war, in einer höheren Tonlage als die Menschen in Deutschland.
    Kaeo kramte im Handschuhfach herum, zog eine CD mit Thai-Pop hervor und legte sie in den Player. Es klang eigentlich fast wie westliche Pop-Musik, nur dass Ricarda kein Wort von den Texten verstand.
    »Betreust du einen eigenen Elefanten?«, fragte Ricarda schüchtern. Kaeo schaute über die Schulter, um ihr zuzulächeln, und Ricarda fuchtelte panisch mit den Händen, damit er sich gefälligst wieder auf die Straße konzentrierte.
    »Ja, einen Bullen, sein Name ist Khanom«, erkärte der junge Mann. »Ist im Moment schwierig, weil er in der Musth ist. Kann gerade nicht mit ihm arbeiten. Er wütend den ganzen Tag. Deswegen hole ich ab euch in der Stadt.«
    » Musth ?«, fragte Sofia. »Wo ist das denn?«
    »Nein, nein, kein Ort … so nennt man es, wenn erwachsene Elefantenbullen sind crazy manchmal«, erklärte Kaeo. »Zeit, in der sie mit anderen Bullen kämpfen und sich paaren wollen. Musth ist leicht zu erkennen, da läuft Flüssigkeit ihnen entlang am Kopf, der Geruch davon ist ein Signal für die anderen Elefanten.«
    Ricarda hoffte, dass sie dem Bullen nicht über den Weg laufen würde. Sie lehnte den Kopf an das staubige Seitenfenster des Autos und schaute nach draußen. Je weiter sie sich von Chiang Mai entfernten, desto ländlicher wurde die Gegend. Ricarda sah überflutete Felder, aus denen smaragdgrün die Reispflanzen hervorlugten. Bauern, die auf den Feldern arbeiteten, manchmal mit Dingern, die wie ein großer Rasenmäher aussahen und wahrscheinlich Motorpflüge waren, manchmal aber auch mit einem gewöhnlichen Pflug, vor den ein dunkelgraues, gedrungenes Tier mit riesigen Hörnern gespannt war. Wow, ein Wasserbüffel. Dann kam wieder ein Ort, mit Stromleitungen kreuz und quer, ein verrücktes Gewirr über der Straße. Hühner, die aus dem Weg rannten und flatterten, einmal hätte Kaeo um ein Haar eins überfahren. Dann wieder dichter Wald rechts und links der Straße.
    Schließlich bog der Toyota von der Straße auf einen Waldweg ab. Ricarda sah ein geschnitztes, bemaltes Schild mit der Silhouette eines Elefanten und »Chiang Mai Elephant Refuge« in Englisch und der Thai-Schrift, die wie eine Verzierung wirkte. Kaeo stieg aus, entriegelte das große hölzerne Eingangstor, und drin waren sie. Ricardas Herz schlug schnell. Es hatte geklappt. Sie war hier. Endlich!
    Ricarda fädelte sich aus dem Auto und trat dabei eine der Cola-Flaschen platt. Sie streckte sich, atmete tief durch. Sauber und gut roch die Luft. Nach Blüten, feuchter Erde und … Elefantendung? Ja, da vorne lag ein gewaltiger grünbrauner Haufen. Aber nicht lange, ein Helfer war schon dabei, ihn wegzuschaufeln.
    Kaeo hievte sich ihr Gepäck auf den Rücken und ging voran.
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