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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet
Autoren: Edmund Cooper
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verfolgte ihn. Idris lief, bis er nicht mehr konnte.
    Die Betäubungsnadel, die ihn traf, empfand er fast als Erleichterung. Wenigstens sorgte sie dafür, daß der stechende Schmerz in seiner Brust verschwand.
     
    Die zweite Verhandlung gegen ihn verlief, zumindest nach minervischen Gesichtspunkten, ziemlich fair, nach terranischen Kriterien vielleicht weniger. Die Gesetzgeber der Erde hatten stets einen Unterschied zwischen Mord und Totschlag gemacht, der sich auf das Strafmaß auswirkte. Aber auf Minerva, wo nahezu keine Gewaltkriminalität existierte, kannte man eine solche Differenzierung nicht. Die Minervier verabscheuten Gewalt an sich, weil dadurch zwei Zivilisationen ausgelöscht worden waren, und so reagierten sie auf jeden Gewaltakt beinahe hysterisch. Von jenem Tag an, da er völlige Kontrolle über seinen neuen Körper gewann, hatte er – in minervischen Augen – eine Kette von Gewalttaten auf sein Schuldkonto geladen. Es lag nahe, daß sie ihn für eine Art von programmiertem Killer hielten.
    Idris wurde verteidigt von Erwin von Keitel, einem guten Freund und Kollegen des verstorbenen Manfrius de Skun. Doch Dr. von Keitel verstand seine Rolle weniger als Verteidiger Idris Hamiltons, sondern sah sich mehr als Advokat des kürzlich verworfenen Unsterblichkeitsprojekts. Mit einem Verteidiger wie Dr. von Keitel, schloß Idris reuevoll, hätte er gar keine Feinde benötigt.
    Der Ankläger, ein fähiger Vertreter der TT-Philosophie, zerbröselte Dr. von Keitels Argumentation mit lächerlich geringer Anstrengung. Das war kaum noch sonderlich schlimm. Der Gerichtshof, zusammengesetzt aus den Ratsvorsitzenden, hatte es ohnehin auf seine Liquidierung abgesehen. Man fällte das Todesurteil über ihn, das man auf Minerva nicht so nannte. Niemand war überrascht.
    Bis zum Tage seiner Verbannung an die Oberfläche behandelte man ihn nicht übel. Das Apartment, das man ihm zuwies, wurde schwer bewacht. Ständig taten zwei mit Anästhesiepistolen ausgerüstete Männer vor seiner Tür Dienst. Seltsamerweise blieb die Tür unverschlossen, aber die beiden Posten hatten Befehl, ohne Zögern zu schießen, falls er sie ohne vorherige Erlaubnis, die er über eine Sprechanlage erbitten mußte, öffnen sollte. Ein dritter Mann stand Idris als Betreuer zur Verfügung. Er erfüllte seine Wünsche, soweit es als vertretbar erachtet wurde, und vertrieb ihm nach Bedarf die Zeit. Nur ihm durfte Idris sich auf geringere Distanz als zwei Meter nähern. Der Mann war unbewaffnet, aber der beste Sportler Minervas und eine Kapazität in der alten Kunst des Judo.
    Idris durfte Besucher empfangen, allerdings nur, wenn diese ihn zu sehen wünschten. Zwischen dem Urteilsspruch und seiner Verbannung sollten zehn M-Tage verstreichen.
    Mary besuchte ihn täglich. Ihr erster Besuch verlief schmerzvoll, aber nach einem fast hysterischen Ausbruch gewann sie bald ihre Beherrschung wieder. Idris bedauerte sie doppelt. Zuerst ihren Mann hinrichten und anschließend ihre Leibesfrucht zerstören lassen zu müssen – das war genug, um eine Frau zu zerbrechen. Arme Mary, dachte er. Nach seinem Tod – seiner Verbannung, wie man es nannte – würde sie viel zu erdulden haben. Sie sprachen sich darüber aus.
    »Wahrscheinlich werde ich mich umbringen«, sagte Mary ruhig. »Ohne dich mag ich nicht leben. Es wäre sinnlos.«
    »Liebste, ich möchte nicht, daß du dich umbringst ... Vielleicht besteht noch Hoffnung für die Menschheit.«
    »Du denkst an die anderen Überlebenden?«
    »Ja. Unter Umständen ... unter ihnen sind zwei oder drei junge Männer, die vielleicht ...«
    »Du meinst, ich soll ...?« Ihre Stimme klang erregt.
    »Wenn du versuchtest ... wenn du es willst ... Verstehst du mich, Mary?« Er ergriff ihre Hände. »Ich kann nicht nach oben in dem Bewußtsein, daß mit mir die letzte Hoffnung der Erde erlischt ... Du könntest ein zweites Kind haben, ein legitimes ... Du könntest dafür sorgen, daß es wie ein Bürger der Erde denkt und handelt. Sonst gibt es keine Chance.«
    Sie erwiderte nichts. Anscheinend wußte sie dazu nichts zu sagen.
    Der Besuch Damaris de Gaulles war kurz. Sie brachte ihm einen Blumenstrauß – seltsame minervische Blumen, die wie eine Kreuzung aus terranischen Rosen und Nelken aussahen. Sie dufteten süßlich.
    »Um sie zu bekommen, mußte ich einem Mann von den Brandt-Hydro-Werken eine Kurzzeitbeziehung versprechen«, sagte sie leichthin. »Hoffentlich gefallen sie dir.«
    »Sogar sehr.«
    »Willst du etwas für
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