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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav
Autoren: Hans Fallada
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geschnitzt?«
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen«, sagte Otto. »Sie wissen, ich muß so aufpassen, Vater will es nun mal nicht haben.«
    »Mach ihn auch recht schön«, bat Rabause. »Es muß mein Ajax werden, wie ich ihn sieben Jahre gefahren habe, du weißt, eine Blesse über das halbe Maul.«
    »Ich mach das schon«, sagte Otto. »Ich muß nur erst mal Zeit haben.«
    »Siehste, Otto – nun hast du doch wieder vergessen, mich daran zu erinnern, daß ich Sie zu dir sage. Du weißt, der Chef hat mir das Du streng verboten.«
    »Ich habe es nicht vergessen, ich mag es Ihnen nur nicht immer wieder sagen.«
    »Das ist es ja gerade!« rief der Futtermeister eifrig. »Wenn Sie selber es wollten, daß ich Sie zu Ihnen sage, dann würde ich es auch nicht immer vergessen. Aber du willst es eben nicht.«
    »Sie haben eben wieder du gesagt, Rabause!«
    »Siehste! Dein Vater hat ganz recht, das ist keine Sache, wenn der Futtermeister zum Sohn vom Chef du sagt. Du bist doch keine zehn Jahre mehr, wie damals, als ich zu euch kam, du bist jetzt fünfundzwanzig …«
    »Vierundzwanzig.«
    »Also vierundzwanzig.« Der Futtermeister klopfte nachdenklich mit den Füßen gegen die Kiste. »Vierundzwanzig – da mußt du vielleicht noch mal Soldat spielen …«
    »Ich Soldat? Nein, damit bin ich durch, einmal ist genug.«
    »Aber wenn es jetzt einen Krieg gibt?«
    »Es gibt doch keinen Krieg!«
    »Hast du denn gestern nicht die Extrablätter gelesen? Die Serben haben doch den österreichischen Kronprinzen totgeschossen – paß auf, es gibt einen Krieg.«
    »Was haben wir denn mit den Serben zu tun? Wo wohnen die überhaupt?«
    »Weiß ich auch nicht genau. Ottochen, irgendwo da unten …« Er wies unbestimmt in den Stall.
    »Sehen Sie! Darum kann es doch keinen Krieg geben.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile. Dann fing der Futtermeister neu an: »Wenn jetzt aber der Chef nicht gleich kommt … Ich muß doch füttern. – Die Taxen müssen pünktlich raus. – Willst du nicht mal rübersehen, Ottochen?«
    »Der Vater hat gesagt, er kommt gleich.«
    »Oder ich rufe ihn selber, wenn du Angst hast, Ottochen.«
    »Lassen Sie’s man lieber, Rabause, Vater wird schon kommen.«
    »Was ist denn? Dicke Luft?« Otto nickte.
    »Schon wieder? Am frühen Morgen? Wegen was denn?«
    »Ach, nichts …«
    »Hat wohl wieder mal ein Topf in der Küche nicht richtig gestanden? Der Chef macht es aber auch zu schlimm, sich macht er kaputt und die andern mit! Du hast auch schon gar keinen Mumm mehr in dir, Ottochen.«
    »Ach, ich halt’s schon noch ’ne Weile aus. Aber ganz schön wäre es ja, es gäb einen Krieg, und ich käme raus aus dem Haus. Ich möchte auch mal meine Ruhe haben und nicht immer angeschnauzt werden.«
    »Die schnauzen aber auch bei den Preußen, Ottochen.«
    »Aber nicht wie Vater …«
    »Da!« rief Rabause. »Da haben wir schon den Krach! Komm, Ottochen!«
    Und er lief zur Stalltür.
    »Wollen wir nicht lieber hierbleiben?« fragte Otto unschlüssig. Dann aber ging er doch dem Futtermeister nach aus dem Stall.

9

    Über den Hof kam der alte Hackendahl, er stieß den Erich, der nur in Hemd und Hose war, vor sich her. Aus den Fenstern spähten die erschrockenen, die neugierigen Gesichter der Frauen. Der Sohn hatte es mit seinem Trotz geschafft: Er hatte den Vater um alle Besinnung gebracht.
    »Ein Student willst du sein?!« schrie der Alte und stieß Erich, daß er taumelte. »Ein Furz bist du in meinen Augen! Ein Garnichts! Ein Dieb!!«
    »Ich lasse mir das nicht gefallen!«rief Erich. »Ich will …«
    »Herr Chef! Herr Chef! Bitte, Sie wecken die Nachbarn!« bat der alte Futtermeister erschrocken.
    »Sehen Sie ihn sich an, Rabause!« rief der ehemalige Wachtmeister erbittert. »Der Herr Sohn verludert achtzig Mark in einer Nacht – und sagt noch, er hat ein Recht darauf! Stillgestanden, du, wenn dein Vater mit dir redet! Aber ich will dir zeigen, wer Herr ist in diesem Hause! Heute noch melde ich dich ab vom Gymnasium …«
    »Das tust du nicht, Vater!«
    »Das tu ich. Ich schwöre dir, daß ich es tu, heute noch!«
    »Herr Chef, Herr Chef, beruhigen Sie sich, überlegen Sie doch! – Rede deinem Vater doch auch zu, Ottochen!«
    »Vater …«
    »Vater!«
    »Jawohl, Vater! Jetzt kannst du Vater schreien, wo es zu spät ist! Aber es hat sich ausgevatert mit dir, Bürschchen, jetzt bin ich nur dein Herr – und ich werde dafür sorgen, daß du parieren lernst!«
    »Herr Chef …«
    »Jawohl, Herr Chef, jetzt bin ich sein Chef!
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