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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav
Autoren: Hans Fallada
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die Mutter. »Das wird Erich doch nicht getan haben! Wenn Vater das erfährt, schlägt er ihn tot! Er kann ja von mir Geld haben …«
    »Aber, Mutter«, rief Sophie entsetzt, »hinter Vaters Rücken darfst du Erich doch kein Geld geben. Ihr müßt doch zusammenhalten als Eltern, ihr seid doch ein Ehepaar …«
    »Wenn ich solchen Quatsch bloß höre!« sagte Eva verächtlich. »Das ist auch solches Pfaffengeschwätz! Lieber soll der Erich Geld klauen …«
    »Wozu braucht er denn Geld?« redete Sophie hitziger dagegen.
    »Aber ich will dir sagen, was mit dir ist, Sophie!« fuhr Eva böse fort. »Du hast dich hier von allem gedrückt. Du läufst lieber mit ’nem Unterschieber von Erster-Klasse-Patienten, als daß du Vaters Nachtpott leer machst! Da kommst du dir wer weiß wie fein vor, da bildest du dir ein, der liebe Gott gibt dir ’ne gute Zensur, und du kriegst den ersten Platz im Himmel …«
    »Mutter!« rief Sophie weinend. »Laß sie nicht so gemein reden, ich halte das nicht aus …«
    »Ja, die Wahrheit zu hören, dafür bist du zu fein, aber uns die Wahrheit zu sagen, dafür bist du nicht zu fein!«
    »Und ich mache es nicht mehr mit!« rief Sophie entschlossen und wischte sich die Tränen mit dem Nachthemdärmel vom Gesicht. »Ich habe es nicht nötig. Heute noch spreche ich mit der Frau Oberin, und heute abend noch ziehe ich mit Sack und Pack in das Mutterhaus!«
    »Sophie!« rief die Mutter flehend. »Tu bloß das nicht! Vater erlaubt es nie! Du bist doch unsere Tochter, und wir sind eine Familie und gehören zusammen …«
    »Jawohl, zum Streiten gehören wir zusammen!« sagte Eva zornig. »Sophie hat ganz recht, sie soll machen, daß sie wegkommt! Und ich gehe auch bald. Jeder muß sehen, wo er bleibt, und das mit Familie und Elternliebe und Geschwistern – das ist alles bloß Unsinn!«
    »Aber, Evchen, sage doch das nicht! Wir lieben uns doch untereinander …«
    »Gar nicht lieben wir uns!« rief Eva trotzig. »Nicht ausstehen können wir uns …«
    »Sage doch bloß das nicht, Evchen!«
    »Ich höre mir das nicht mehr an«, sagte Sophie entschlossen … »Daß du so redest, das zeigt, daß du überhaupt keinen Glauben mehr hast, du nicht und der Erich auch nicht. Und wenn du hier weg willst, so tust du es nur, weil du zügellos sein willst. Ich habe es schon lange kommen sehen, und ich brauche dich gar nicht zu treffen mit Kavalieren Arm in Arm, pfui Teufel! Ich habe es schon gewußt, wie du immer auf den Rummelplatz gelaufen bist und hast dich schon mit dreizehn von den Bengels freihalten lassen auf dem Karussell!«
    »Neidisch bist du, weil dich nie einer angesehen hat, Sophie!«
    »Vertragt euch doch wieder, Kinder!«
    »Und nicht geschämt hast du dich, wenn dein Rock vom Wind hochgeflogen ist, daß man sogar die Häkelspitzen von deiner Hose sah!«
    »Grade schön!«
    »O Gott, Kinder, helft doch!« jammerte die Mutter. »Hört doch nur! Ich glaube, der Vater schlägt den Erich noch tot …«

8

    »Chef verschlafen?« fragte der alte Futtermeister Rabause, saß auf der Futterkiste und klopfte mit den Pantinen gegen das Holz. »Wird Zeit zum Füttern …«
    Zwanzig Pferde hatten die Köpfe nach dem eintretenden Otto gedreht und leise, erwartungsvoll gewiehert. Aber sie kannten ihren Herrn, den Bringer der Nahrung, sie wußten, Otto war es nicht. So wandten sie die Köpfe enttäuscht wieder fort, scharrten im Stroh, klirrten mit den Halfterketten – und nur der Schimmel klopfte emsiger mit dem Huf.
    »Kommt gleich«, antwortete Otto und setzte sich neben Rabause auf die Kiste. »Ist schon lange wach.«
    »Warum hat er dann seinem Schimmel noch kein Futter geschüttet?« wundert sich der Meister. »Er ist sonst doch immer auf dem Kien.« Er lachte. »Der Chef denkt, ich merke es nicht, aber ich merke es doch.«
    »Das geht uns nichts an, Rabause«, sagte Otto. »Es sind Vaters Pferde und Vaters Futter, damit kann er machen, was er will.«
    »Sage ich denn was anderes, Ottochen?« fragte der alte Rabause. »Ich sage bloß, er füttert heimlich, und das ist wahr. Seine Lieblinge hat der Chef eben doch, er mag noch so sehr tun, als ob es nur nach der Gerechtigkeit geht.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte Otto abweisend. »Ich tu, was Vater will.«
    »Genau, was ich sage. Ottochen«, grinste der Alte. »Du bist aber auch nicht sein Liebling.«
    Eine Weile saßen sie stumm auf ihrer Kiste. Dann räusperte sich Rabause, stieß Otto an und fragte: »Du, Otto, hast du mir den Pfeifenkopf
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