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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Antonio Hill
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einem Haufen alter Leute warten musste, bis man sich um ihn kümmerte. Arschlöcher. Das war nicht gerecht. Hatte nicht Sílvia den Wagen gefahren? Hatte nicht Gaspar diesem schmutzigen Afrikaner den Spaten über den Schädel gezogen? Und am Ende stellte sich heraus, dass es Mar Ródenas gewesen war, die Amanda umgebracht und Sara in den Selbstmord getrieben hatte. Aber nur er, Manel, musstedurch die Hölle gehen. Er, wo er nur die Anweisungen der Mehrheit befolgt und niemandem etwas getan hatte.
    Das Leben ist ungerecht, sagte er sich voll Bitterkeit, während er in der Küche das unerlässliche Glas Wasser trank. Frisches Wasser, um sich innerlich zu reinigen, bevor er unter die Dusche ging. Es war sein tägliches Abendprogramm, und an diesem Abend kam es ihm notwendiger vor denn je. Für einen Moment dachte er daran, wie schrecklich es wäre, wenn einer der anderen einknickte und verriet, was sie mit den Leichen gemacht hatten. Er wusste nicht, ob er dafür ins Gefängnis kam, aber allein bei dem Gedanken trat ihm der kalte Schweiß auf die Stirn, das Glas glitt ihm aus der Hand, zersprang auf dem Boden.
    Die Scherben nahm er als Menetekel. Er hob sie auf, bedrückt von dem Gefühl, dass seine Sicherheit, sein Leben in den Händen von Personen lag, denen es wenig ausmachen würde, ihn fallenzulassen. Ihn am Boden zerstört zu sehen.
    Héctor war so in Gedanken versunken, dass er nicht hörte, wie jemand klopfte, und er erschrak, als die Tür plötzlich aufging.
    »Inspektor Salgado.«
    »Ja?«
    Es war Brais Arjona.
    »Ich weiß, es ist spät, Herr Inspektor, aber man sagte mir, Sie seien noch hier, und ich wollte nicht bis morgen warten.«
    Brais nahm gegenüber dem Inspektor Platz.
    »Ich habe alles meinem Mann erzählt. Seit ich bei dem verdammten Pakt mitgemacht habe, war mein einziges Ziel, es vor ihm geheim zu halten. Jetzt hat er mich verlassen, und die Angst, ihn zu verlieren, ist mit ihm weg. Wissen Sie was? Ich habe immer gedacht, wenn es einmal so weit käme,wäre ich voller Gewissensbisse: wegen der Sache in Garrigàs, wegen Gaspar, wegen Amanda, wegen Sara … Aber ich habe nichts gespürt. Nichts. Keinen Kummer, keine Gewissensbisse, nicht mal Traurigkeit. Als wären meine Gefühle mit diesem verdammten Winter erfroren. Deshalb bin ich hier. Denn entweder ich komme her und gestehe, oder ich stürze mich aus dem Fenster. Und das will ich nicht. Für mich war Selbstmord nie eine Lösung.«
    Zwei Stunden später empfing die Straße Héctor mit der gedämpften Betriebsamkeit eines Freitagabends im Winter. Kaum zu glauben, dass dort draußen normale Menschen waren, Menschen, die keine grauenhaften Verbrechen begingen. Er atmete tief durch, und die Kälte stach ihm in die Lungen. Trotzdem nahm er sich eine Zigarette und zündete sie an. Scheiß Qualmerei.
    Héctor rauchte still, unter einem seltsam dunklen Himmel. Er konnte nicht einfach nach Hause fahren. Auch wenn er die Leute verstand, die tranken, um zu vergessen, war Alkohol für ihn nie eine Zuflucht gewesen. Was er brauchte, war Luft, Menschen um sich. Er musste den Kopf freibekommen, von allem, ob gut oder schlecht. Es war zu kalt, um weiter dazustehen, und er beschloss, nach Hause zu laufen.
    Er ging über die Gran Vía, und gleich erinnerte er sich an den Traum, den er am Abend vor dem Dreikönigstag gehabt hatte. Jetzt gab es dort keine Spielzeugstände mehr, keine bunten Lichter, auch keine dröhnenden Weihnachtslieder. Nur er hatte sich nicht verändert, ging wieder allein. Fast rechnete er schon damit, dass eine blöde Glaskugel vom Himmel fiel und ihn erwischte. Und plötzlich, wie in dem Traum, blieben die Passanten überrascht stehen. Aber sie verschwanden nicht, sie schauten nur zum Himmel. Auch Héctor hob den Blick, als er merkte, dass es anfing zu regnen. Aber es war kein Regen, nein, es war, wie vorhergesagt, Schnee.
    Héctor hätte beinahe gelächelt. Schneeflocken hatten etwas, was das Kind hervorholt, das alle Menschen in sich tragen. Er ging weiter, langsam, und sah, wie sich nach und nach eine weiße Decke über die Straße legte. Und ermuntert von diesem außergewöhnlichen Schauspiel nahm er, als er schon nahe der Universität war, sein Handy und rief Lola an. An diesem Abend, sagte er sich, war alles möglich.

RUTH

45
    Im Büro des Kommissars kam Martina Andreu zum Ende ihres Berichts, mit dem sie ihren Chef über all das ins Bild setzte, was nach der Entwendung von Ruths Akte geschehen war. Savall hörte mit konzentrierter
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