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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz
Autoren: David Ignatius
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Visier», berichtete er. «Eine über Neutronik, eine über Hydrophonie und eine über Wellendynamik. Die Namen der Autoren werden gerade überprüft. Neue wissenschaftliche Delegationen sind momentan nicht im Westen und auch keine einzeln reisenden Atomwissenschaftler.»
    «War’s das?»
    «Eigentlich schon», sagte Reddo und blickte rasch zu Marcia Hill hinüber, die ihm zuzwinkerte, ohne dass Harry es bemerkte.
    «Na prima!», seufzte Harry. «Im Osten nichts Neues, wie üblich.»
    «Wer weiß?», sagte Marcia, um deren Lippen noch immer ein Lächeln spielte. Offenbar hatte sie noch etwas in der Hinterhand.
    Manchmal fiel es Harry schwer, vor den jungen Leuten Optimismus zu verbreiten. Immer wieder aufs Neue auf den nächsten Tag zu hoffen war ja schön und gut, doch irgendwann einmal lief ihnen die Zeit davon, und dann gab es keinen nächsten Tag mehr. So war das häufig in diesem Geschäft: Man legte lange Listen an und wartete auf den richtigen Augenblick, der dann aber meistens nicht kam. Es war wie damals in Moskau: Man unternahm selbst nichts, sondern wartete darauf, dass etwas geschah. Irgendwann lief dann irgendein armer Irrer zu einem über, und man hatte plötzlich alle Hände voll damit zu tun, ihn so lange wie möglich am Leben zu erhalten.
    «Sonst noch was?», fragte Harry.
    «Ja, eine Kleinigkeit wäre da schon noch», sagte Marcia mit verschmitztem Nicken. «Wahrscheinlich ist sie Ihnen entgangen.Kam gestern über das Mailformular auf der Website herein. Die Frau, die sie entdeckt hat, glaubt, sie könnte von einem VÜ sein. Ich habe sie Tony gezeigt, und er hält sie für interessant. Das sollten Sie sich mal ansehen.»
    «Hat das nicht Zeit?», fragte Harry. Er war mehr an realen Menschen interessiert als an unnützem Zeug aus dem Internet.
    «Klar, alles hat Zeit. Aber ich bin mir sicher, dass diese Mail Sie interessieren wird. Tony soll Ihnen erklären, warum.»
    Reddo wedelte bereits mit ein paar Computerausdrucken. Er war wirklich noch ein Kind, dachte Harry. Wie ein Hündchen, das einen Stock apportiert hat, legte er die Blätter stolz auf den Konferenztisch.
    «Und was ist das jetzt alles?» Harry deutete auf die Papiere.
    «Analysen.»
    «Was für Analysen?»
    «Nukleartechnische Analysen. Sie werden es nicht glauben, aber ich halte sie für Messwerte über die Anreicherung von Uran.»
    «Aus dem Iran? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?»
    «Keineswegs, Sir. Ich blicke zwar noch nicht ganz durch, aber sehen Sie sich mal diese Tabelle an. Meiner Meinung nach zeigt sie den Anreicherungsgrad von Uran nach jedem Durchgang durch die Zentrifuge. Sie sieht genauso aus wie die in den Dokumenten der Internationalen Atomenergiebehörde. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, weil ich solche Tabellen schon öfter gesehen habe. Interessant sind die Zahlen in diesen Spalten hier, die den Anteil des Uran-Isotops 235   U anzeigen. In der einen Spalte sehen Sie den Gehalt imangereicherten Uran, in der nächsten den im abgereicherten Uran. Sehen Sie, wie die erste Zahl mit jedem Durchgang größer und die andere kleiner wird? Interessant sind diese beiden Chargen.» Er deutete auf zwei Zahlen. «Die erste hat fünfunddreißig Prozent und eine andere sieben. Und neben der zweiten steht ‹D 2 O?›. Sehen Sie das?»
    «Klar sehe ich das. Was hat es zu bedeuten?»
    «Wie soll ich Ihnen das erklären?» Reddo kratzte sich am Kopf. Es fiel ihm schwer, komplizierte Sachverhalte einfach darzustellen.
    «Generell bedeutet es erst einmal, dass die Iraner tatsächlich Uran anreichern, so wie sie ständig behaupten. Aber kommen wir noch einmal zu den beiden Chargen. Die eine hat sieben Prozent 235- U-Isotope und damit genug, um einen Kernreaktor zu betreiben. So weit, so gut. Die andere Charge hat fünfunddreißig Prozent. Gar nicht gut. Das ist nämlich mehr, als man für einen zivilen Atommeiler braucht, und legt die Vermutung nahe, dass sie es für ein Atomwaffenprogramm verwenden. Andererseits müssen wir uns noch keine allzu großen Sorgen machen, denn bis zum waffenfähigen Uran ist es noch lange hin – dazu braucht man mindestens fünfundachtzig Prozent 235- U-Isotope . Alles in allem keine große Überraschung, denn wir vermuten ja schon seit langem, dass die Iraner diesen Weg beschreiten. Momentan dürften sie ihn etwa zur Hälfte zurückgelegt haben. Was ich wirklich sehr seltsam finde, ist dieses D 2 O mit dem Fragezeichen.»
    Harry verdrehte die Augen. Auf der Highschool war er in Chemie gerade mal so
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