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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)
Autoren: Günter W. Hohenester
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verzichteten also auf weitere Formalitäten und er beschrieb mir erleichtert den Weg zur Zeltwiese.
    Den Zeltaufbau hatte ich zu Hause geübt. Nach knapp 20 Minuten war alles an seinem Platz.
    Ich ging zum Eingangstor, trank ein Weizen im Freien hinter einem kleinen Imbiss mit Blick auf den See und wanderte auf dem Damm entlang zu einer einzeln stehenden Bank, von der aus ich zusah, wie der Himmel und das Wasser trüb-gelb mit rot entzündeten Rändern langsam in sich hinein dunkelten. Nebenbei besprach ich, weil es noch neu für mich war, etwas gehemmt, fast fremdelnd die erste Kassette auf meinem Mini-Radiorecorder und schaltete mein Handy ein. Ich hatte versprochen, eine Stunde am Tag erreichbar zu sein.
    Vor mir auf dem Deich fuhren Radler vorbei. Ein Bernhardiner zog eine Frau im gelben Ostfriesennerz hinter sich her. Über dem See stritten sich ein paar Möwen. Zwei Jungs tasteten sich durch knisterndes, raschelndes Schilf ans Ufer. Sie trugen Angelruten in den Händen.
    Mein Handy blieb stumm. Es war 21.30 Uhr. Ich schaltete es aus und ging zurück zum Zelt. Rechtschaffen müde kroch ich in den Schlafsack. Nebenan schnarchte jemand. Etwas weiter weg wurde leise geflüstert. Ein Mädchen kicherte. Ein leichter Wind kam auf, bog die Zeltwand nach innen.
    Was hatte die Serviererin vom Imbiss gesagt, als sie nachsah, ob ich noch etwas trinken wolle, nachdem die beiden anderen Typen die dort gegessen hatten, abgezogen waren: »Der schöne Mann ist noch da.« Da nur noch ich da war, musste ich wohl auch gemeint sein. Morgen beim Rasieren würde ich nachsehen, wie sie darauf gekommen war. Hübsche, schlanke Beine unter einem kurzen Rock hatte sie gezeigt, als sie ging. Mit diesem angenehmen Bild vor Augen fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Plötzlich grelles Licht. Um mich herum war es taghell. Dann wieder stockfinster. Ein schmerzhaft berstendes Krachen. Sturm rüttelte am Zelt. Regen prasselte herab. Donner und Blitz tobten über mir. Ich versuchte auszumachen, ob irgendwelche Gegenstände die Zeltwand berührten. Ich wollte vermeiden, dass es hereinregnete. Die Stirnlampe musste her. Ich wühlte in der Lenkradtasche, fand nur eine Handvoll loser Teile. Das chinesische Modell hatte sich selbst zerlegt. In einem früheren Leben musste ich ein Chinese gewesen sein. Es gelang mir tatsächlich das Ding im Dunklen, nur mit Fingerspitzengefühl, zusammenzubauen. Sein Licht blendete im ersten Moment fast so heftig wie der Blitz. Der Wind wehte von rechts. Ich schob mein Gepäck etwas mehr in die Mitte. Auf meinem Schlafsack unter der Zeltspitze glänzte Feuchtigkeit. Ich legte meine Regenjacke darüber. Der Wind hatte den Regen durchs Moskitonetz getrieben. Die Abdeckung darüber war für dieses Wetter etwas zu sparsam geraten.
    So, mehr konnte ich jetzt nicht tun. Ich legte mich zurück, lauschte dem Grollen des weiter ziehenden Gewitters, dazu dem verebbenden Geräusch, das meine Zeltnachbarn verursachten, und schlief wieder ein.

Zweiter Tag
    Die Sonne schien freundlich und harmlos, als wäre nichts geschehen. Auf den Gräsern ringsum glitzerten Wassertropfen wie Brillanten. Das Zelt dampfte. Ich ging duschen.
    Auf dem Kiesweg vor den Duschräumen standen zwei grauhaarige Männer in Trainingsanzügen. Im Vorbeigehen hörte ich, dass der Blitz in der Nacht die gesamte Elektrizitätsversorgung des Ortes lahmgelegt hatte.
    Ich duschte, solange es meine Duschmarke erlaubte.
    Inzwischen hatte die Sonne dem Gras seinen Schmuck geraubt. Das Zelt jedoch war immer noch nass. Ich holte meinen kleinen Kocher hervor und bereitete mir einen Becher Tee. Ringsum wurden Gegenstände aus den Zelten gezerrt und zum Trocknen ausgelegt. Ich bekam Hunger. Frühstück hatte ich keines dabei.
    Der kleine Imbiss hatte schon geöffnet. Ich bestellte Rühreier mit Brot. Die mit den hübschen Beinen war nicht da. Eine Dicke mit zotteligen schwarzen Haaren und Sprachschwierigkeiten nahm meine Bestellung nur zögernd entgegen. Sie versuchte, mich zu Rührei mit Bratkartoffeln zu überreden. Ich aber bestand auf Brot á la carte. Endlich gab sie meinen Wunsch kopfschüttelnd an die Küche weiter und unterhielt sich dann mit einem Graubärtigen mit Halbglatze, der schwankend an der Theke Halt suchte und nach irgendwelchen Saufkumpanen fragte. Es war nicht auszumachen, ob er noch - oder schon wieder betrunken war. Er lud die Kellnerin zu einem Korn ein. Nachdem der getrunken war, bekam ich mein Essen. Es sah lecker aus und schmeckte auch
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