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Der einaeugige Henker

Der einaeugige Henker

Titel: Der einaeugige Henker
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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auch für etwas anderes gesorgt, und zwar dafür, dass sich die Fahrertür unseres Rovers öffnete und Suko erschien. Er hatte sich bisher zurückgehalten.
    »Alles klar, John?«
    »Und ob.«
    »Dann machen wir es zusammen.«
    »Klar.«
    Es war ein seltsamer Fall, den wir hier erlebten, aber ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, denn ich musste mich auf den einäugigen Henker konzentrieren.
    Er hatte zu einer Zeit gelebt, die lange zurücklag. Dort waren die Menschen eigentlich kleiner gewesen als zur heutigen Zeit, aber bei ihm stimmte das nicht. Er war eine mächtige Gestalt mit breiten Schultern, und wenn er sein Schwert gezogen hatte und die Waffe schwang, sah er bestimmt zum Fürchten aus.
    Reni Long kriegte sich nicht mehr ein. Sie fiel sogar vor ihm auf die Knie und flehte ihn an. So wollte sie ihm ihre große Dankbarkeit beweisen.
    Er kümmerte sich nicht um sie. Er ging einfach weiter, und sein Ziel waren Suko und ich.
    Beinahe wäre er auf Reni Long getreten, aber sie schaffte es gerade noch, sich zur Seite zu drehen.
    Er ging weiter. Das Licht aus dem Scheinwerferpaar des Jeeps reichte aus, um ihn gut erkennen zu lassen. Jetzt sahen wir seine langen blonden Haare. Wir sahen das kantige Gesicht, das normale Auge und auch das andere, das fehlte. An seiner Stelle war nur ein hässliches schwarzes Loch zu sehen.
    Er kam.
    Er machte den Eindruck, als würde er sich durch nichts aufhalten lassen. Er trug einen Umhang, der seinen Rücken umwehte, dazu ein Oberteil und so etwas wie einen Rock oder eine lange Schürze, die bis zu den Knöcheln reichte.
    »Wer ist das?«, fragte Suko.
    »Der Henker.«
    »Aber du kennst seinen Namen nicht?«
    »So ist es.«
    »Aber er ist kein Geist.«
    Das war er bestimmt nicht. Natürlich waren wir neugierig, und ich stellte die erste Frage.
    »Wo kommst du her?«
    »Aus der Dunkelheit.«
    »Und für wen hast du getötet?«
    »Für viele Herren.«
    »Auch für den Teufel?«
    »Ja.«
    »Aber dein Grab hast du nicht in der Hölle gefunden – oder?«
    »Man hat mich geholt.«
    »Wer, wenn nicht die Hölle?«
    »Die andere Verdammnis.«
    Ich nickte, obwohl ich nichts verstanden hatte. »Welche Verdammnis ist es?«
    »Die des großen Leidens.«
    »Und weiter?«
    »Du kennst es.«
    »Nein, ich …«
    »Doch, fast jeder Mensch kennt es. Es ist so etwas wie eine Vorhölle. Man kann es auch Fegefeuer nennen. Dorthin bin ich verflucht worden. Es waren die Vertreter der Kirche, die das getan haben, es war ein Heiliger, der dafür sorgte und der letztendlich auch den Spiegel besaß, dem er seine Magie gab.«
    Ich hörte zu.
    Suko hörte zu.
    Und beide waren wir erstaunt darüber, was uns der Henker erzählte. Er war jemand aus dem Fegefeuer. Er war also der Beweis, dass es das Fegefeuer gab. Es hatte Zeiten gegeben, da hatten wir das Reich der Druiden für das Fegefeuer gehalten. Zumindest einen Teil davon. Aber das stimmte nicht. Aibon war nicht das Fegefeuer, es musste noch einen anderen Ort geben, und von ihm war er gekommen.
    »Jetzt bin ich wieder da«, sagte er mit einer sehr dunklen Stimme.
    »Das sehen wir. Aber du gehörst nicht mehr in diese Welt. Wer auch immer den Platz für dich ausgesucht hat, er hat es zu Recht getan. Du bist ein Verfluchter. Personen, die in der Hölle und auch im Fegefeuer gewesen waren, müssen bis ans Ende der Zeiten dort bleiben. Oder bis ihnen die große Gnade zuteil wird, das Fegefeuer verlassen zu können.«
    »Bist du mein Feind?«
    Ich wollte ihm nicht direkt antworten und sagte: »Freunde werden wir nie sein können.«
    »Ja, du stehst nicht zu mir.«
    »Das stimmt.«
    »Aber ich bin wieder da.«
    »Man kann dich nicht übersehen.«
    »Und ich werde mich wieder in Erinnerung bringen, das kann ich der Welt schwören. Ja, ich bin wieder frei und werde mich auch um die kümmern, die so viel Kummer gebracht haben.«
    »Dürfen wir wissen, wer das ist?«
    »Ja, das dürft ihr. Es sind die, sie es früher schon immer gegeben hat, die es heute auch noch gibt.«
    Ich hakte nach. »Wer denn?«
    »Hexen«, erwiderte er. »Nur Hexen! Ich habe sie gejagt, und ich werde sie wieder jagen. Ich kann sie aufspüren, sie erkennen, wenn ich vor ihnen stehe. Darauf freue ich mich. Heute können sie sich besser verstecken als früher, aber sie sind nicht gut genug für mich. Ich finde sie. Ich finde sie alle.«
    Es waren Worte, die er unbedingt noch hatte loswerden müssen. Danach nickte er noch mal in unsere Richtung, drehte sich um und ging einfach weg
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