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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast
Autoren: Nadine Gordimer
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Reihen von Bohnen und Mais Unkraut hackten. Die Kinder (ein Vorwand zum Trödeln natürlich) unterbrachen ihre Arbeit und winkten. Er bemerkte, wie er selbsteifrig zurückwinkte, wobei er seinen Kopf unter dem niedrigen Wagendach herausschob, lächelte und seinen Hals vorstreckte, um ihre Gesichter noch zu sehen, als sie schon außer Sichtweite waren. Der Wagen näherte sich dem Marktviertel der Stadt, trug ihn quer hindurch. Unter den Mangobäumen blitzten die Spiegel der Barbiere im Schatten auf, und lebende Hühner lagen, die Beine zusammengebunden, in Haufen herum. Es war die Zeit der Mangoernte, und überall, wo Menschen herumgingen, lagen die säbelförmig gekrümmten, safrangelben, bis auf die Fasern abgelutschten Kerne.
    Der Vogel saß auf dem Dach des runden, strohgedeckten Gästehauses im Garten seines alten Freundes Roland Dando – eines Walisers –, der erst kürzlich zum Generalstaatsanwalt ernannt worden war. Als Bray vor dem Haus abgesetzt wurde, war niemand da außer dem Personal, das aber für seinen Empfang genaue Instruktionen erhalten hatte. Man servierte ihm die Spezialität des afrikanischen Kochs, an die er sich noch so gut erinnerte: leicht angebrannte Fleischsuppe mit viel Gerste drin, zu stark durchgebratenes Steak mit gerösteten Zwiebeln, einen Pudding, oben flockig wie Schaum, darunter wie Gelatine, der nach Eiern und dem Saft von Passionsfrüchten schmeckte. Roly rief ihn an, um sich zu vergewissern, daß er angekommen war, und erklärte ihm abermals – er hatte es schon brieflich im voraus getan –, daß er an einem offiziellen Lunch teilnehmen mußte. Brays Ohren dröhnten von den sonderbaren Echos der Erschöpfung, und, angeheizt von dem Essen, drohte ihn sein Körper unter Wellen von Hitze zu ersticken. Er ging in das durch zugezogene Vorhänge ständig verdunkelte Zimmer und legte sich schlafen.
    Es gab keine unter das Dach gezogene Decke, und sein Blick ging hinauf zum spinnennetzförmigen Muster, das durch die Dachsparren gebildet wurde. Die Unterseite des Strohs, das darauf lag, war weich und glatt, grau, wo es alt, und blond, wo es erneuert worden war, und wie bei einem sorgfältig frisierten Kopf stand hier und da eine vereinzelte Strähne weg. Der Vogel balancierte wahrscheinlich auf dem kleinen Porzellanisolator,über den die elektrische Leitung zu der über ihm baumelnden Lampe führte. Der Vogel war weggeflogen; er wußte das – fast so, als hätte das atemleichte Gewicht der Krallen das Dach herabgedrückt und dieser Druck nun nachgelassen.
    Die Sonne war um das Haus herumgewandert, und die Vorhänge glühten wie der Himmel über einem Feuer. Die kühle, schale Luft des Zimmers hatte sich erwärmt; trotzdem aber fiel die Müdigkeit von ihm ab, sein Kopf war frei. Stille war eingetreten, und in dieser Stille hörte er dann Stimmen, die irgendwo dröhnten, luftschnappend abbrachen, lachten – nicht leise, sondern gedämpft, weil sie beinahe außer Hörweite waren. Aber nur beinahe, nicht ganz. Eine Stimme löste sich heraus, kam näher, etwas fing zu zischen an (ein Schlauch, wie er glaubte), er erkannte ein Wort, eine Bedeutung – nicht bloß eine unbestimmte Verbindung von wohlartikulierten Lauten: »Später dann«, ein zusammengesetztes Wort in der Sprache, die in der Umgebung der Hauptstadt gesprochen wurde und die er nie wirklich gut beherrscht hatte.
    Er stand auf und ging hinüber zum Hauptgebäude, um ein Bad zu nehmen. Im Garten brannte die Sonne, gleißend, besitzergreifend. Im Badezimmer summten sich die Fliegen an den Fensterscheiben zu Tode. Roly war unverheiratet, und sein Haus war jene gewisse Mischung von selbstverständlichem Luxus und unabänderlicher Trostlosigkeit, die für einen Haushalt charakteristisch ist, in dem sich weiße Junggesellen von einem Regiment ausschließlich männlichen schwarzen Dienstpersonals verwöhnen lassen. Aus dem Becken der Toilette tröpfelte es ständig, sie ließ sich nicht ordentlich spülen, und die Handtücher waren steif wie Frackhemden (Olivia hatte Jahre gebraucht, bis sie den Leuten beigebracht hatte, die Seife aus der Wäsche herauszuspülen), aber ein alter Bursche mit einer Kochhaube trug unter den Bäumen Tee auf und schaffte unaufgefordert Brays zerknitterten Anzug zum Bügeln weg. Mit einem länglichen Eiseninstrument, das am Ende gebogen war, schnitt ein junger Mann das zähe Gras. Krause und üppige Sträucher, der Hibiskus mit seinen großenBlüten, denen Pollen und Ameisen etwas liederlich Schlampiges
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