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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Autoren: King Stephen
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vorrückenden Insekten als Erster und erstarrte wie ein Vorstehhund: eine Pfote erhoben, die Schnauze vorgereckt. Einen Augenblick lang bewegten sich nur seine dunklen, samtartig weichen Lefzen, die erst nach oben zuckten, um die zusammengebissenen Nadeln seiner Reißzähne sehen zu lassen, und dann wieder herabzuckten, um sie wieder zu verdecken.
    Die Käfer rückten vor. Was immer sie sein mochten – die von der Hand des Peres hochgehaltene Schildkröte Maturin bedeutete ihnen nichts. Ein fetter Kerl in einem Smoking mit kariertem Revers sprach das Vogelding mit schwacher, fast klagender Stimme an: »Sie sollten nicht weiter als bis hierher gelangen, Meiman, auch nicht entkommen. Man hat uns gesagt, sie …«
    Oy sprang nach vorn, wobei er mit zusammengebissenen Zähnen ein Knurren ausstieß. Dieser ganz entschieden nicht zu Oy passende Laut erinnerte Callahan an eine Comicsprechblase: Arrrrrr!
    »Nein!«, rief Jake erschrocken. »Nein, Oy!«
    Beim Klang der Stimme des Jungen verstummten das Lachen und Gegröle hinter dem Wandteppich so abrupt, als hätten die Folken dort hinten plötzlich gemerkt, dass sich im vorderen Raum etwas verändert hatte.
    Oy achtete nicht auf Jakes Warnruf. Er zerbiss nacheinander drei der Käfer, wobei das Knacken ihrer zersplitternden Panzer in der neuerlichen Stille grausig laut zu hören war. Er machte keine Anstalten, sie zu fressen, sondern schleuderte die Kadaver der etwa mausgroßen Insekten mit einer ruckartigen Halsbewegung, bei der er zum Abschluss grinsend das Maul öffnete, nur hoch in die Luft.
    Die anderen wichen sofort unter die Tische zurück.
    Er ist wie dafür geschaffen, dachte Callahan. Vielleicht waren das einst alle Bumbler. Dafür geschaffen, wie manche Terrierrassen dafür gezüchtet werden …
    Ein heiserer Schrei, der hinter dem Gobelin erklang, unterbrach diese Überlegung: »Humes!«, rief eine Stimme, und eine zweite ergänzte: »Ka-Humes!«
    Callahan spürte den absurden Drang, »Gesundheit!« zurückzurufen.
    Bevor er aber das oder sonst etwas rufen konnte, füllte plötzlich Rolands Stimme seinen Kopf.
     
     
    6
     
    »Jake, geh!«
    Der Junge wandte sich verwirrt Pere Callahan zu. Er ging mit vor der Brust gekreuzten Armen, war bereit, die ’Rizas nach dem ersten niederen Menschen zu werfen, der sich bewegte. Oy war auf seinen Platz bei Fuß zurückgekehrt, sah aber unaufhörlich von einer Seite zur anderen und hatte wegen der Aussicht auf weitere Beute glänzende Augen.
    »Wir gehen gemeinsam«, sagte Jake. »Sie sind eingeschüchtert, Pere! Und wir sind dicht dran! Man hat sie hier durchgeschleppt … durch diesen Raum … und anschließend durch die Küche hinaus …«
    Callahan achtete nicht auf ihn. Während er weiter die Schildkröte hochhielt (als hielte er in einer tiefen Höhle eine Laterne hoch), hatte er sich dem Gobelin zugewandt. Das Schweigen dahinter war weit schrecklicher als das Gegröle und das fieberhafte, gurgelnde Lachen zuvor. Dieses Schweigen glich einer auf sie gerichteten Waffe. Der Junge stand weiterhin auf der Stelle. »Geh, solange du noch kannst«, sagte Callahan mit um Ruhe bemühter Stimme. »Hol sie ein, falls das geht. Das ist der Befehl deines Dinhs. Und das ist auch der Wille des Weißen.«
    »Aber du kannst nicht …«
    »Geh, Jake!«
    Die niederen Männer und Frauen im Dixie Pig, ob im Bann der Sköldpadda oder nicht, murmelten beim Klang dieses Befehls unbehaglich, was nur angebracht war, da es auf einmal nicht Callahans Stimme war, die aus dessen Mund kam.
    »Du hast nur diese eine Chance, und die musst du nutzen! Finde sie! Das befehle ich dir als dein Dinh!«
    Jake riss die Augen auf, als er Rolands Stimme aus Callahans Kehle kommen hörte. Sein Mund stand offen. Er sah sich wie benommen um.
    In der Sekunde, bevor der Gobelin links von ihnen weggerissen wurde, erkannte Callahan den schwarzen Humor der Darstellung, der auf den ersten flüchtigen Blick leicht zu übersehen gewesen war: der als Hauptgericht auf der Tafel stehende Braten hatte Menschengestalt; die Ritter und ihre Fräulein aßen Menschenfleisch und tranken Menschenblut. Was der Wandteppich zeigte, war ein Kannibalenmahl.
    Dann rissen die Altvorderen, die bei ihrer eigenen Mahlzeit gesessen hatten, den obszönen Wandteppich beiseite, kamen dahinter hervorgestürmt und kreischten durch die gewaltigen Hauer, die ihr deformiertes Maul ständig offen hielten. Ihre Augen waren schwarz wie das Dunkel der Blindheit, die Haut ihrer Wangen und Stirn –
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