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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
Autoren: King Stephen
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seines Kinns und die Schattierung seines Kiefers erkennen. Die überschatteten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Sammle Holz, Revolvermann. Diese Seite des Gebirges ist mild, aber in dieser Höhe kann einem die Kälte dennoch ein Messer in die Eingeweide stoßen. Und dies ist schließlich ein Ort des Todes, nicht?«
    »Ich werde dich umbringen«, sagte der Revolvermann.
    »Nein, das wirst du nicht tun. Das kannst du nicht. Aber du kannst Holz sammeln, um deines Isaak zu gedenken.«
    Der Revolvermann verstand die Anspielung nicht. Er machte sich wortlos auf und sammelte Holz wie ein gewöhnlicher Küchenjunge. Seine Ausbeute war gering. Auf dieser Seite gab es kein Teufelsgras, und das Eisenholz brannte nicht. Es war versteinert. Schließlich kehrte er mit einem großen Armvoll zurück und war von verfallenen Knochen gepudert, als wäre er in Mehl gewendet worden. Die Sonne war hinter den höchsten Josuabäumen untergegangen, hatte ein rötliches Leuchten angenommen und sah sie zwischen den schwarzen, gepeinigten Ästen hindurch mit unheilvoller Gleichgültigkeit an.
    »Ausgezeichnet«, sagte der Mann in Schwarz. »Wie außergewöhnlich du bist! Wie methodisch! Ich salutiere vor dir!« Er kicherte, und der Revolvermann warf ihm krachend das Holz vor die Füße, so daß Knochenstaub aufwirbelte.
    Der Mann in Schwarz zuckte nicht zusammen oder sprang zurück; er fing lediglich an, die Feuerstelle aufzuschichten. Der Revolvermann sah fasziniert zu, wie das Ideograph (dieses Mal frisch) Gestalt annahm. Als es vorbei war, erinnerte es an einen etwa sechzig Zentimeter hohen, komplexen doppelten Schornstein. Der Mann in Schwarz hob eine Hand zum Himmel empor, schüttelte den weiten Ärmel von einer spitz zulaufenden, hübschen Hand zurück und stieß rasch mit ihr herab, wobei er den Zeigefinger und kleinen Finger zum traditionellen Zeichen des bösen Blicks gegabelt hatte. Eine blaue Flamme blitzte auf, und das Feuer brannte.
    »Ich habe Streichhölzer«, sagte der Mann in Schwarz jovial, »aber ich dachte mir, der Zauber könnte dir gefallen. Ganz umsonst, Revolvermann. Und jetzt mach uns ein Essen.«
    Die Falten seines Gewandes zitterten, und der gehäutete und ausgeweidete Kadaver eines Kaninchens fiel in den Schmutz.
    Der Revolvermann spießte das Kaninchen wortlos auf und briet es. Ein verlockender Geruch stieg auf, während die Sonne unterging. Purpurne Schatten fielen gierig über das Becken, das der Mann in Schwarz für ihre endgültige Konfrontation ausgesucht hatte. Der Revolvermann spürte den Hunger endlos in seinem Bauch knurren, während das Kaninchen braun wurde; aber als das Fleisch gar und saftig war, reichte er dem Mann in Schwarz wortlos den ganzen Spieß, kramte in seinem eigenen, beinahe flachen Rucksack und holte den letzten Rest Dörrfleisch heraus. Es war salzig und tat seinem Mund weh, und es schmeckte wie Tränen.
    »Eine wertlose Geste«, sagte der Mann in Schwarz, dem es gelang, wütend und belustigt zugleich zu klingen.
    »Dennoch«, sagte der Revolvermann. Er hatte kleine wunde Stellen im Mund, die eine Folge von Vitaminmangel waren, und der Salzgeschmack ließ ihn bitter grinsen.
    »Hast du Angst vor verzaubertem Fleisch?«
    »Ja.«
    Der Mann in Schwarz warf die Kapuze zurück.
    Der Revolvermann sah ihn schweigend an. In gewisser Weise war das Gesicht des Mannes in Schwarz eine unbehagliche Enttäuschung. Es war hübsch und ebenmäßig, ohne die Spuren und Entstellungen von jemandem, der schlimme Zeiten durchgemacht hat und der in große, unbekannte Geheimnisse eingeweiht wurde. Sein Haar war schwarz und von verfilzter, stumpfer Länge. Seine Stirn war hoch, die Augen dunkel und strahlend. Die Nase war unauffällig. Die Lippen waren voll und sinnlich. Seine Gesichtsfarbe war bleich wie die des Revolvermannes.
    Er sagte schließlich: »Ich hatte einen älteren Mann erwartet.«
    »Nicht unbedingt. Ich bin fast unsterblich. Natürlich hätte ich ein Gesicht wählen können, das deinen Erwartungen besser entsprochen hätte, aber ich habe mich entschieden, dir das zu zeigen, mit dem ich – äh – geboren worden bin. Schau, Revolvermann, der Sonnenuntergang.«
    Die Sonne war bereits untergegangen. Der Himmel im Westen war vom düsteren Glühen eines Hochofens erfüllt.
    »Du wirst eine Zeit, die dir sehr lange erscheinen wird, keinen Sonnenaufgang mehr sehen«, sagte der Mann in Schwarz leise.
    Der Revolvermann erinnerte sich an die Stollen unter dem Gebirge und sah dann zum Himmel, wo die
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