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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers
Autoren: Joyce Maynard
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dann, sie könnten sich mit irgendwas anstecken.
    Ich verstand, was er mir sagen wollte, weil im Frühjahr bei einer Schülerversammlung darüber gesprochen worden war. Damals wussten die Leute nur, dass man nicht in Berührung mit dem Blut von Fremden kommen sollte, weil man daran sterben konnte.
    Du bist mit dieser Frau da drüben hier, oder?, fragte er und schaute zu meiner Mutter hinüber, die jetzt in der Gartenabteilung stand und einen Wasserschlauch betrachtete. Wir besaßen keinen, aber unser Garten war auch nicht der Rede wert.
    Sieht toll aus, sagte er.
    Meine Mutter.
    Ich wollte dich fragen, ob ihr mich vielleicht mit dem Auto mitnehmen könntet, sagte er. Ich achte auch darauf, keine Blutflecken auf die Sitze zu machen. Deine Mutter sieht aus wie jemand, der mir vielleicht helfen würde.
    Das war eine gute Eigenschaft meiner Mutter – oder vielleicht auch nicht, aber es stimmte jedenfalls.
    Wo wollen Sie denn hin?, fragte ich den Mann und dachte
mir dabei, dass die Angestellten in diesem Laden nicht gut behandelt wurden, wenn sie mit so einer Verletzung Kunden um Hilfe bitten mussten.
    Zu euch nach Hause?
    Es klang nach einer Frage, aber als er mich anschaute, kam er mir vor wie eine Figur mit Superkräften aus dem Silver Surfer. Er legte mir fest die Hand auf die Schulter.
    Echt, Junge, es ist sehr dringend.
    Da schaute ich ihn mir genauer an. Er machte so eine Bewegung mit seinem Kiefer, aus der man schließen konnte, dass er Schmerzen hatte – biss so fest die Zähne zusammen, als wolle er einen Nagel abkauen. Seine Hose war dunkelblau, weshalb die Blutflecken nicht so sehr auffielen. Obwohl die Luft in dem Laden kühl war, schwitzte der Mann heftig. Und jetzt entdeckte ich auch eine Blutspur an seiner Schläfe, die dort die Haare verklebt hatte.
    Baseball-Kappen waren im Sonderangebot. Nachdem der Mann sich eine ausgesucht und sie aufgesetzt hatte, war das Blut am Kopf kaum mehr zu bemerken. Er hinkte, aber das taten viele Leute. Als Nächstes nahm er eine Fleece-Weste vom Ständer und zog sie über das rote Pricemart-Hemd. Da er das Preisschild von der Weste ablöste, ging ich davon aus, dass er sie wohl nicht bezahlen würde. Vielleicht gab es Sonderregelungen für Angestellte.
    Einen Moment noch, sagte er. Ich brauche noch was. Warte hier auf mich.

    Wie meine Mutter auf irgendetwas reagieren würde, konnte man nie vorhersagen. Manchmal schrie sie einen Typen an, der mit religiösen Traktaten hausieren ging, und scheuchte ihn davon; ein andermal trank sie mit so jemandem bei uns auf der Couch Kaffee, wenn ich von der Schule nach Hause kam.
    Das ist Mr. Jenkins, sagte sie dann. Er wollte uns über ein Waisenhaus in Uganda berichten, für das er Geld sammelt. Die Kinder bekommen dort nur eine Mahlzeit am Tag und haben kein Geld für Bleistifte. Für zwölf Dollar pro Monat könnten wir diesen kleinen Jungen hier, Arak, unterstützen. Der könnte dein Brieffreund sein. Wie ein Bruder.
    Wenn es nach meinem Vater ging, hatte ich bereits einen Bruder, aber meine Mutter und ich wussten, dass Marjories Sohn nicht zur Familie zählte.
    Toll, sagte ich. Arak. Meine Mutter schrieb einen Scheck aus. Der Mann überreichte uns ein Foto, das ziemlich unscharf war – eine Fotokopie. Meine Mutter hängte es an den Kühlschrank.
    Einmal kam eine Frau in unseren Garten gelaufen, die nur ein Nachthemd anhatte. Sie war sehr alt, wusste nicht mehr, wo sie wohnte, und sagte ständig, dass sie ihren Sohn suche.
    Meine Mutter nahm sie mit ins Haus und kochte ihr Kaffee. Ich weiß, wie verwirrend manchmal alles ist, sagte sie zu der alten Frau. Wir kümmern uns darum.
    In solchen Situationen wirkte meine Mutter sehr entschlossen, und ich mochte es, wenn sie so normal war. Nachdem die alte Frau Kaffee und Toast bekommen hatte, setzten wir sie in unserem Auto auf den Beifahrersitz und
schnallten sie an – vielleicht war es sogar da, dass meine Mutter den Wagen zuletzt benutzt hatte –, und dann fuhren wir eine Ewigkeit mit ihr durch die Gegend.
    Sagen Sie mir einfach, wenn Ihnen irgendwas bekannt vorkommt, Betty, sagte meine Mutter zu der alten Frau.
    Diesmal brachte es dann sogar was, dass sie so langsam fuhr, denn ein Mann sah uns, erkannte Betty und winkte, damit wir anhielten.
    Wir sind fast verrückt geworden, so lange haben wir nach ihr gesucht, sagte der Mann zu meiner Mutter, als sie das Fenster runterkurbelte. Ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie sich um sie gekümmert haben.
    Alles in Ordnung, sagte meine
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