Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers
Autoren: Joyce Maynard
Vom Netzwerk:
Mutter. Wir haben uns prima unterhalten. Ich hoffe, sie kommt mich mal wieder besuchen.
    Gefällt mir, das Mädchen, sagte Betty, als ihr Sohn den Sicherheitsgurt löste. So ein Mädchen hättest du heiraten müssen, Eddie. Nicht dieses Biest.
    Ich sah mir das Gesicht des Mannes genau an. Er sah nicht gut aus, aber irgendwie nett, und einen Moment lang wünschte ich mir, ich könnte ihm sagen, dass meine Mutter nicht mehr verheiratet war. Dass ich mit ihr alleine war. Dass er Betty doch öfter mal vorbeibringen könnte.
    Dieser Eddie hat nett ausgesehen, sagte ich, als wir losfuhren. Ist vielleicht auch geschieden. Man weiß ja nie.

    Meine Mutter war bei den Haushaltswaren, als der Mann und ich sie einholten. Da wir schon mal hier sind, sagte sie, sollte ich gleich noch Glühbirnen mitnehmen.
    Das war eine gute Nachricht. Wenn bei uns eine Glühbirne kaputtging, wurde sie meist nicht ersetzt, und in letzter Zeit war das Haus immer dunkler geworden. In der Küche gab es jetzt nur noch eine funktionierende Glühbirne, und die war nicht mal besonders hell. Wenn man nachts etwas sehen wollte, musste man den Kühlschrank aufmachen.
    Ich weiß aber nicht, wie wir die einschrauben sollen, sagte meine Mutter. Ich komme nicht bis zur Decke hoch.
    Ich stellte ihr den blutenden Mann vor, Vinnie. Ich hielt diesen Moment für günstig, weil er ja groß war.
    Meine Mutter, Adele, sagte ich.
    Ich bin Frank, sagte er.
    Kam auch nicht zum ersten Mal vor, dass jemand nicht derjenige war, für den er gehalten wurde. Hatte offenbar ein falsches Hemd an.
    Sie haben hier einen guten Jungen, Adele, sagte er. Er war so nett, mir anzubieten, dass Sie mich mitnehmen würden. Vielleicht könnte ich mich revanchieren, indem ich Ihnen mit denen hier behilflich bin.
    Er wies mit dem Kopf auf die Glühbirnen.
    Und bei allem anderen, was es im Haus zu tun gibt, fügte er hinzu. Es gibt kaum was, das ich nicht kann.
    Meine Mutter betrachtete sein Gesicht. Trotz der Kappe sah man noch etwas von dem getrockneten Blut, aber
das schien ihr gar nicht aufzufallen. Oder sie fand es nicht wichtig.

    Wir gingen zusammen zur Kasse. Der Mann erklärte meiner Mutter, dass er mein Rätselbuch übernehmen wolle, ihr das Geld aber vorerst schuldig bleiben müsse, da er momentan nicht viel zur Verfügung habe. Die Baseball-Kappe und die Weste erwähnte er der Kassiererin gegenüber mit keinem Wort.
    Außer meinen neuen Kleidern, dem Gartenschlauch, dem Kissen, dem Keramikigel, den Glühbirnen und dem Handventilator hatte meine Mutter noch so einen Sperrholzschläger ausgesucht, an dem mit einem Gummiband ein Ball befestigt war.
    Dachte, ich mach dir eine Freude, Henry, sagte sie, als sie das Ding aufs Band legte.
    Ich hatte nicht vor, ihr zu erklären, dass ich mit so was zum letzten Mal gespielt hatte, als ich sechs war, aber da schaltete sich Frank ein. Ein Junge in diesem Alter braucht einen anständigen Baseball, sagte er. Und holte zu meinem Erstaunen einen aus seiner Tasche. Das Preisschild war nicht zu übersehen.
    Ich bin echt mies in Baseball, sagte ich.
    Früher vielleicht, erwiderte der Mann. Er tastete mit den Fingern die Nähte auf dem Baseball ab und schaute ihn an, als halte er die ganze Welt in der Hand.
    Beim Rausgehen hatte Frank eine dieser Werbebroschüren mitgenommen, in denen die wöchentlichen Sonderangebote aufgeführt sind. Als wir ins Auto stiegen, breitete er
die auf dem Rücksitz aus. Ich möchte Ihnen keine Blutflecken auf die Polster machen, Adele, sagte er. Wenn ich Sie so nennen darf.
    Andere Mütter hätten wahrscheinlich eine Menge Fragen gestellt. Oder den Mann gar nicht erst mitgenommen. Meine Mutter dagegen fuhr einfach los. Ich fragte mich, ob Frank Ärger kriegen würde, weil er einfach so von der Arbeit verschwand, aber das schien ihn nicht zu beschäftigen.
    Ich war wohl der Einzige von uns dreien, der sich irgendwie Sorgen machte. Es kam mir vor, als hätte ich irgendwas tun sollen, als erfordere die Situation irgendwas Besonderes, aber ich wusste natürlich mal wieder nicht, was. Und Frank wirkte so ruhig und gelassen, dass man sich ihm gerne anschloss. Obwohl er sich natürlich in Wirklichkeit uns angeschlossen hatte.
    Ich habe einen sechsten Sinn, was Menschen betrifft, sagte er zu meiner Mutter. Brauchte mich nur einmal in diesem riesigen Laden umzuschauen, da wusste ich schon, dass Sie die Richtige sind.
    Ich will Ihnen nichts vormachen, fuhr er fort. Bin in einer schwierigen Lage. Die meisten Leute würden jetzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher