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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds
Autoren: Rosa Zapato
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ein Mensch ohne Wurzeln, der an keinem Ort wirklich dazugehörte. Dein Bruder, der behandelte mich wie einen wahren Freund, und als er tot war, wurde mir meine Einsamkeit wieder bewusst. Ich dachte nicht, dass Patricks schöne, zielstrebige Schwester mir mit derselben Offenheit begegnen würde, aber da täuschte ich mich wohl. Es erstaunte mich von Anfang an, wie gut wir einander verstanden.«
    Alice erwiderte schweigend den Druck seiner Finger.
    »Natürlich will ich, dass du wiederkommst«, fuhr er fort. »Und ich würde sogar vor dir auf die Knie fallen und dich anflehen, wenn du es dir wünschst.«
    Wieder musste Alice lachen, doch diesmal war es ein leichter, beschwingter Laut, der aus ihrer Kehle drang.
    »Du hast Glück, ich habe keine besonders romantische Ader und reagiere allergisch auf Melodramatik«, sagte sie, legte ihre Hände an seine Wangen und küsste ihn.
    »Ich war noch nicht fertig«, flüsterte er ihr ins Ohr, um sie nach einer Weile sanft von sich zu schieben.
    »Na gut, ich lausche andächtig«, gab Alice nach. »Aber erspare mir bitte Geschichten über diese Myriaden von Männern, die vor meiner Tür Schlange stehen, um mir die Welt zu Füßen zu legen.«
    »Woher weißt du so genau, wovon ich reden wollte?«
    Alice packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn, was er geduldig über sich ergehen ließ.
    »Hast du Dummkopf denn überhaupt keine Ahnung, wie sehr ich darauf gewartet habe, diese drei Wörter von dir zu hören? Bitte komme wieder. Einfach nur das, ohne Kniefälle und Liebesschwüre. Ich hätte auf der Stelle zugestimmt, denn meine Entscheidung muss schon irgendwann im Dschungel gefallen sein, ohne dass es mir überhaupt bewusst war.«
    Andrés schwieg und streichelte ihr Gesicht, als wolle er wie ein Blinder jeden ihrer Züge ertasten, um sie sich besser einprägen zu können.
    »Du bist völlig verrückt, einen wie mich zu wollen. Wann kannst du wieder hier sein?«
    Das ungeduldige Drängen widersprach seiner ruhigen Art und befreite sie von den letzten Zweifeln. Doch nun brach die Wirklichkeit über sie herein, denn ihr wurde bewusst, dass jenseits des Ozeans eine andere Welt auf sie wartete, in der sie Verpflichtungen zu erfüllen hatte.
    »Es gibt viele Dinge, die ich in meiner Heimat regeln muss«, begann sie ihm zu erklären. »Ich werde eine neue Ausstellung machen. Ein halbes Jahr wird es mindestens dauern, bis ich wieder einen Dampfer besteigen kann. Ich hoffe, bis dahin hast du es noch nicht geschafft, dich verhaften zu lassen.«
    Sie lachte auf, um dem letzten Satz den Ernst zu nehmen, konnte aber selbst hören, wie gekünstelt es klang.
    Andrés schlang seine Arme um ihre Schultern und zog sie an sich.
    »Ich werde auf dich warten, auch länger als ein halbes Jahr, wenn es sein muss. Hinterlasse mir eine Adresse, an die ich schreiben kann. Morgen rede ich mit Hans Bohremann. Ich werde mich anbieten, dich nach Veracruz zu bringen, denn der gute Juan will lieber hierbleiben und seine Wunden lecken. Ich denke, man wird mir die Aufgabe überlassen, schon deshalb, weil es niemand anderen dafür gibt.«
    Alice spürte erleichtert, wie ihre Sorgen von einem Gefühl der Freude verdrängt wurden. Noch einmal konnte sie dieses wunderbare Land durchqueren, begleitet von dem Mann, den sie liebte. Die gemeinsamen Wochen würden helfen, das Band zwischen ihnen zu festigen, damit sie eine längere Trennung überstehen konnten.
    Sie zog die Decke von ihrem Bett und machte eine einladende Geste. Andrés’ Augen leuchteten auf, als er ohne jede Scheu die Knöpfe des schlichten schwarzen Kleides zu öffnen begann.
    Es war bereits Dezember, als sie Veracruz erreichten, doch die schwüle Hitze lag immer noch über der Stadt. Alice fielen sehr deutlich die Unterschiede zu Chiapas auf. Dies war nicht mehr Indianerland, sondern ein internationaler Hafen, in dem sich Siedler aus aller Welt niedergelassen hatten. Das Völkergemisch brodelte, pulsierte und schwelgte in exotischer Buntheit.
    Tante Grete hatte tatsächlich ein Telegramm geschickt, das viele Wochen lang auf Alice gewartet hatte, ebenso wie ein mit der Post eingetroffener Geldvorrat für die Heimreise. Sie zeigte sich entsetzt über Patricks plötzlichen Tod und drängte ihre störrische Nichte zu einer raschen Heimkehr. Alice konnte ihr Rückfahrticket einlösen, sodass ihr noch eine Woche in Mexiko blieb.
    Sie fanden ein schlichtes Hotel, und Alice freute sich auf ein paar angenehme Tage in der Stadt, denn Hans Bohremann hatte
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